Süddeutsche Zeitung

Gerichtsstreit ums Rauchen:Dicke Luft im Knast

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Ein Häftling hat den Freistaat auf Schmerzensgeld verklagt. Der Münchner wirft dem bayerischen Strafvollzug einen Verstoß gegen die Menschenwürde vor, weil er mit einem Kettenraucher in die Zelle gesperrt wurde. Das Problem: Der Kläger ist selbst starker Raucher.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Zehn Wochen lang nahezu ununterbrochen auf engstem Raum in waberndem Zigarettenrauch leben zu müssen, stellt einen Verstoß gegen die Menschenwürde dar: Mit diesem Argument hat ein Ex-Häftling den Freistaat auf Schmerzensgeld verklagt. Der Münchner legt dem bayerischen Strafvollzug eine Amtspflichtverletzung zur Last, weil die Vollzugsbeamten ihn mit einem Kettenraucher in dieselbe Zelle gesperrt hatten.

Allerdings ist der klagende frühere Sträfling selbst starker Raucher. Die Amtshaftungskammer am Landgericht München I hat die Problematik des Zigarettenqualms in Gefängniszellen nun erstmals rechtlich bewertet und die Klage am Mittwoch abgewiesen.

Der Münchner, der von Februar bis April 2013 in der Haftanstalt Bernau einsitzen musste, pochte auf die Gefahren des Passivrauchens. In der nur 9,65 Quadratmeter großen Zelle sei die Luft permanent rauchgeschwängert gewesen - "selbst für einen Raucher ist diese Situation nicht mehr erträglich gewesen", beklagte er. Eine Verlegung sei allenfalls in eine Viermannzelle möglich gewesen, darauf habe er lieber verzichtet.

Zigarettenkonsum des Klägers gefährlicher als Passivrauchen

Das Gericht stellte nun fest, dass der Haftraum für zwei Personen grundsätzlich zwar ausreichend groß gewesen sei, zumal bei separatem Sanitärbereich. Doch das Rauchen auf so engem Raum könne bei "unentrinnbarem gemeinsamen Aufenthalt" auf so engem Raum nicht nur erheblich belästigend sein, sondern wegen des gesundheitsgefährdenden Passivrauchens zudem einen "Grundrechtseingriff von erheblichen Gewicht" darstellen. Jeder Gefangene habe "Anspruch auf Schutz vor Gefährdung und erhebliche Belästigung durch das Rauchen von Mitgefangenen und Aufsichtspersonal", sagt die 15. Zivilkammer in ihrem Urteil.

Das Münchner Gericht schließt sich ausdrücklich auch nicht einer älteren Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf an: Das hatte 2007 darauf hingewiesen, dass Rauchen doch noch vor kurzer Zeit gesellschaftlich gang und gäbe gewesen sei und auch von Nichtrauchern "als selbstverständlich hatte ertragen werden müssen" - daraus heute eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten zu machen, "hieß die Menschenwürde zu kleiner Münze zu schlagen", meinten damals die Düsseldorfer Richter.

Im Falle des klagenden Münchners erkennt das Landgericht zwar an, dass durch den Nebenstromrauch erheblich giftigere und mehr krebserregende Stoffe an die Raumluft abgegeben würden, als sie der Raucher selbst bei einem Zug aus der Zigarette einatme. Allerdings übersteige in diesem konkreten Fall der eigene Zigarettenkonsum des Klägers die Gefahren des Passivrauchens bei weitem. Die gesundheitliche Belastung durch den rauchenden Mithäftling würden die gesundheitliche Belastung nicht quantifizierbar erhöhen.

Gegen dieses Urteil (Az.: 15 O 25394/13) könnte der Münchner noch Berufung beim Oberlandesgericht München einlegen.

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SZ vom 21.08.2014
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