Süddeutsche Zeitung

Gentrifizierung in München:Wie schön, noch ein Immobilienbüro

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Shisha-Bar, Massagestudio, Makler: Diese Mieterkette ist in München eigentlich völlig logisch, findet unsere Autorin.

Kolumne von Pia Ratzesberger

Wie sich eine Stadt verändert, zeigt sich immer auch in ihren Schaufenstern. Blicken wir zum Beispiel in eine Straße in der Isarvorstadt. Vor vier Jahren standen dort noch Shisha-Pfeifen im Fenster, vor der Türe parkte hin und wieder ein Kleinbus, dessen Aufkleber für die Legalisierung von Cannabis warben.

Der Laden hielt sich ganz gut, trotz der Polizisten, die sich ein paar Häuser weiter Burger mit Fritten holten, und vermutlich gerade wegen der vielen Schüler, die zweimal am Tag vorbeiliefen. Doch dann machte im Viertel noch ein Friseursalon auf, und noch einer und noch einer. Eine der wichtigsten Gleichungen dieser Stadt: mehr Friseure, höhere Mieten, weniger Shishas.

In den Laden mit den Pfeifen zog kein Friseur, sondern ein Massagestudio, in dem sich aber kaum jemand massieren ließ, was womöglich daran lag, dass es in der Parallelstraße bereits ein Massagestudio gab. Die Nachbarschaft begann also zu spekulieren, wer folgen könnte: Ein Pizzabäcker mit Straßenverkauf? Eine neue Bar? Eine zweite Boazn, ähnlich der nebenan? Werden die Gebrüder Hahn, die Zwischennutzungs-Genies der Stadt, mit dem Kran ein Hausboot rüberschaffen? Nur ein Friseursalon, der sollte es bitte nicht noch einmal sein.

Doch die Stadt hat Friseursalons als Zeichen der Gentrifizierung ohnehin längst hinter sich gelassen. In dem früheren Shisha-Laden respektive Massagestudio steht jetzt nicht viel mehr als ein großer Tisch - ein Immobilienbüro hat eröffnet. Umgehend erkennt man, dass es nichts besseres hätte geben können, ein Immobilienbüro ist das einzig Sinnvolle in dieser Stadt.

Die Makler werden ihre Büros auch in den Opernwohnungen eröffnen, in den Boazn, als Zwischennutzung auf den Münchner Baustellen. Und wenn man am Abend noch auf ein Bier an der Isar sitzen will, werden die Makler schon da sein, werden einem 30 Quadratmeter für 1350 Euro kalt anbieten, sie werden fragen, ob man nicht diese Handvoll Isarkiesel mieten wolle und ob man denn auch eine Bürgschaft dabei habe und ob das Bier wirklich nicht mehr als ein Drittel des Einkommens ausmache.

Man selbst aber wird sich umdrehen und gehen, mit dem Bier in den Zug steigen und nach Hause fahren, irgendwo ins Umland. Dort, wo gerade ein neuer Friseur aufgemacht hat.

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Quelle:
SZ vom 10.08.2018
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