Süddeutsche Zeitung

Gebetomat:Religiöse Einkehr auf Knopfdruck

Lesezeit: 2 min

Wie klingt es eigentlich, wenn mongolische Schamanen beten? In München steht jetzt der "Gebetomat" eines Berliner Künstlers. Zu hören gibt es 300 Gebete in 64 Sprachen - darunter auch ein Vaterunser auf Plattdeutsch.

Von Sebastian Krass

So also klingt es, wenn Jakuten um Regen bitten: Behutsam schlägt jemand auf ein Tamburin. Und dazu sprechen und singen mehrere Personen Worte, deren Bedeutung sich dem Laien zwar nicht auf Anhieb erschließt, die aber ein durchaus angenehmes Gefühl verbreiten.

Wenn es tatsächlich jemanden gibt, der die Worte und die sanften Tamburinklänge hört und der etwas am Wetter machen kann, dann wird er auf eine so schöne Regenbitte hin bestimmt ein paar dicke Wolken ins östliche Sibirien schicken, dorthin, wo die Jakuten leben.

Die jakutische Regenbitte ist nur eines von etwa 300 Gebeten in 64 Sprachen, die man sich derzeit im Foyer der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) München anhören kann. Denn dort steht ein Gebetomat. Das Gerät ähnelt in seiner Form einem Fotoautomaten. Doch statt Passbildern liefert es die Möglichkeit zur religiösen Einkehr - oder zu einer kleinen Weltreise in Gedanken.

Geld braucht es dafür nicht. Das Preisschild - 50 Cent für fünf Minuten, ein Euro für zehn, zwei Euro für 20 Minuten - ist obsolet. Der Gebetomat funktioniert auch ohne Münzeinwurf. Nur nach der Stromversorgung muss man manchmal schauen, manche ziehen dem Gerät den Stecker.

Wer sich in die Kabine setzt, kann über ein Touchscreen auswählen, aus welcher Religion er sich ein Gebet anhören möchte. Im Hauptmenü stehen die fünf Weltreligionen Buddhismus, Christentum, Hinduismus, Islam, Judentum, plus die Rubrik "Weitere", unter der sich die jakutische Regenbitte ebenso findet wie taoistische Gebete - und eines von Scientology.

Der Gebetomat ist ein Kunstprojekt des Berliners Oliver Sturm. Die Idee sei ihm 1999 auf einem New Yorker U-Bahnsteig gekommen, schreibt er auf einem Infozettel an der Rückseite des Gebetomaten. Dort habe er einen Automaten gesehen, aus dem permanent eine künstliche Stimme kam. Auf dem Bahnsteig sei er umgeben gewesen von Menschen unterschiedlichster Herkunft, da "stellte ich mir vor, wie es wäre, wenn Gebete aus dem Automaten kämen", schreibt Sturm. 2008 wurde die Idee der "kleinsten Form eines spirituellen Raums" Wirklichkeit.

Ausschnitt von Papst Benedikt XVI. in Riem

Inzwischen gibt es vier Gebetomaten. Die Geräte haben schon an den unterschiedlichsten Orten gestanden, im Thalia-Theater Hamburg, beim Hessischen Rundfunk oder gerade aktuell in der Universität von Manchester. Auch für Flughäfen oder Bahnhöfe ist er gedacht.

Gut die Hälfte der 300 Gebete habe er auf Reisen selbst aufgenommen, berichtet Sturm. Der Gebetomat hat einen Ausschnitt von Papst Benedikt XVI. in Riem ebenso im Angebot wie eine Gemeinde, die das Vaterunser auf Plattdeutsch spricht.

Wenn man die Worte des mongolischen Schamanen oder die Ehrerbietung aus der Hare-Krishna-Bewegung anhört, dann gerät die Phantasie in Schwung: Wie es da wohl zugehen mag? Und was steckt nur hinter den zwei Gebeten mit der Einordnung "ungeklärte Herkunft"? Und ob die Regenbitte der Jakuten etwas gemein hat mit der Regenbitte der Maya von der Yucatán-Halbinsel in Mexiko? Man muss jedenfalls kein bisschen religiös sein, um im Gebetomaten ein paar interessante Minuten zu verbringen.

Der Gebetomat steht voraussichtlich noch bis Ende Januar in der KHG, Leopoldstraße 11, zugänglich Montag bis Freitag von 8 bis 20 Uhr. Ab dem 5. März soll er in der Pfarrei Christkönig in Nymphenburg zu finden sein.

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Quelle:
SZ vom 13.01.2014
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