Süddeutsche Zeitung

Gasteig-Sanierung:Knifflige Quartierssuche

Lesezeit: 3 min

Von Dominik Hutter und Christian Krügel

Bauzeiten, Kosten, Raumprogramm - das meiste ist noch unklar, wenn die Stadträte am kommenden Mittwoch einen Grundsatzbeschluss zur Sanierung des Gasteig-Kulturzentrums fassen werden. Nur eines ist derzeit ziemlich sicher: Münchens Konzertbesucher müssen sich auf harte Zeiten mit ungewöhnlichen Spielorten und womöglich auch weniger Aufführungen einstellen, über Jahre hinweg. Denn derzeit wird es immer unwahrscheinlicher, dass im Jahr 2020 bereits ein neuer Konzertsaal steht, wenn zumindest die Grundsanierung der Philharmonie begonnen werden muss. Und auch für die Planung von anderen Ausweichspielstätten läuft bereits die Zeit davon.

Das sehen auch die städtischen Planer so. Nach der Stadtratsentscheidung vom Mittwoch solle "unverzüglich mit der Suche konkreter Alternativen" begonnen werden, heißt es in der Beschlussvorlage. Ein Büro soll damit beauftragt werden, Interimsquartiere für alle Nutzer des Gasteigs zu finden. "Die bisherigen Angebote" sollten "nahtlos an Interimsorten fortgesetzt werden können." Immerhin konnte die Volkshochschule ihren Mietvertrag für Räume in der Lindwurmstraße schon mal verlängern, womit ein Drittel ihres Angebots aus dem Gasteig untergebracht wäre.

Wohin soll das Konzertgeschehen verlagert werden?

Weitaus kniffliger dürfte die Quartierssuche für die Stadtbibliothek sein. Und am schwierigsten ist die Frage zu lösen, wohin das Konzertgeschehen verlagert werden könnte. Allein die Münchner Philharmoniker spielen im Gasteig jährlich 80 Konzerte für 16 000 Abonnenten, hinzu kommen etwa 20 Auftritte des BR-Symphonieorchesters sowie Dutzende von freien Veranstaltern und Gastorchestern. Die einzig mögliche Alternative ist der Herkulessaal, der aber während der Saison bereits jetzt fast jeden Abend bespielt wird, zudem rund 1000 Sitzplätze weniger hat und eine viel kleinere Bühne bietet.

Die Philharmoniker wollen aber keine Abstriche beim Angebot machen. "Wir müssen alle Abonnenten unterbekommen", sagt Sprecher Christian Beuke. Heißt: Gesucht wird ein Saal von ungefähr 1800 Plätzen inklusive Garderoben, Toiletten, Zimmer für Solisten, Dirigenten und Musiker. Kein einfaches Unterfangen, allenfalls die alte Kongresshalle sowie Messehallen dürften solche Anforderungen einigermaßen erfüllen. Die Konzerte in eine Turnhalle zu verlegen, könne aber keine Lösung sein, so Beuke. "Wir halten die Augen nach allen Richtungen offen."

Wahrscheinlichster Standort ist derzeit das Areal des Eissportstadions

Am einfachsten wäre es, wenn schon ein neuer Konzertsaal als Ausweichquartier zur Verfügung stünde. Doch dieses Szenario ist unrealistisch. Der wahrscheinlichste Standort für einen neuen Konzertsaal ist derzeit das Areal des Eissportstadions im Olympiapark. Das wird aber erst frei, wenn eine neue Eisarena im Westen des Parks gebaut ist - wegen vieler unklarer Fragen halten inzwischen alle Experten die ursprünglich geplante Eröffnung Ende 2018 für unrealistisch.

Die Abonnenten der Philharmoniker attackierten denn auch bei ihrer Versammlung im März Kulturreferent Hans-Georg Küppers scharf, weil er noch keinen Ausweichspielort nennen konnte. Er verwies auf das Gärtnerplatztheater: Dem Ensemble sei es trotz der jahrelangen Renovierung des Stammhauses gelungen, an ungewöhnlichen Orten ein hervorragendes Programm anzubieten, etwa in der Reithalle oder im Circus Krone. Ein Vergleich, der hinkt, findet das BR-Symphonieorchester, Hauptbefürworter eines neuen Saales. "Bei Theater und Musiktheater kann man Inszenierung, Bühnenbild und Atmosphäre dem Raum anpassen. Symphonik bleibt immer Symphonik und muss gut klingen können", sagt Sprecher Peter Meisel.

"In fünf Jahren heißt für uns: übermorgen"

Natürlich könnte man aber zu neuen Aufführungsformaten an ungewöhnlichen Orten kommen. Die Philharmoniker haben damit gute Erfahrungen gemacht, als sie im Postpalast in der Arnulfstraße auftraten. Allerdings können Beuke zufolge allein mit wechselnden Spielorten niemals die Bedürfnisse der Abonnenten erfüllt werden. Die Zeit drängt: Beide Orchester müssen ihre Spielzeiten zwei bis drei Jahre im Voraus planen, die Planung für 2020 steht bald an, sagt Peter Meisel: "In fünf Jahren heißt für uns: übermorgen."

Im Rathaus zeichnet sich Sympathie für eine große Lösung bei der Gasteig-Sanierung ab. SPD-Kultursprecher Klaus Peter Rupp hält nicht nur eine bessere Akustik in der Philharmonie, sondern auch das Aufmotzen des Carl-Orff-Saals zum Multifunktionsraum, eine Verbesserung des Eingangsbereichs sowie zusätzliche Vortragsräume für sinnvoll. Sabine Nallinger (Grüne) setzt vor allem auf Verbesserungen für die freie Szene und für das Filmfest. Abschließend entscheiden müssen sich die Stadträte am Mittwoch noch nicht. Es geht zunächst darum, die Planungen voranzutreiben.

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SZ vom 27.06.2015
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