Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Industriedenkmal im Sucher

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Paul Eschbach bietet bei den Internationalen Fürstenfelder Naturfototagen wieder einen der Workshops an. Dafür öffnen die Stadtwerke die Türen zum historischen Wasserkraftwerk auf der Lände.

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Die Frage hört Paul Eschbach oft: Wie passt eine Fototour durch ein Wasserkraftwerk zu den Internationalen Fürstenfelder Naturfototagen, die sich in diesem Jahr vom 14. bis zum 16. April im Veranstaltungsforum ganz dem Thema "Deutschland" verschreiben? Der 57 Jahre alte Dachauer schmunzelt.

Die historische Anlage der Stadtwerke, die bis heute Strom erzeugt, nutzt die Kraft der Amper. Da ist sie, die Natur. Zudem ist sie fünf Gehminuten vom Veranstaltungsforum entfernt und bietet sich damit an als Location für einen Workshop, der das Thema in der Tat etwas weiter interpretiert.

"Architektur und Technik" heißt der Klassiker, der sich auch bei den diesjährigen Naturfototagen, die von der Süddeutschen Zeitung präsentiert werden, wieder im Programm findet. Eschbach zeigt an einem Tag im März schon mal, wie sich die malerischen Motive in Szene setzen lassen und was die Teilnehmer erwartet, denen die Stadtwerke in diesem Jahr bereits zum dritten Mal die Türen öffnen zu einem echten Industriedenkmal, das immer noch klaglos seinen Dienst verrichtet.

Ein paar Unterschiede gibt es schon zwischen dem Fotografieren wildlebender Tiere und dem Inventar eines Kraftwerks. In der Wildnis kommen vorzugsweise lichtstarke Teleobjektive mit langen Brennweiten zum Einsatz. Die Szenerie in dem altehrwürdigen Gebäude der Stadtwerke lässt sich eher mit einer Landschaft vergleichen. Hier sind kurze Brennweiten gefragt oder auch die oft unterschätzte, lichtstarke 50er-Festbrennweite.

Über die bewusste Steuerung der Blende und damit der Schärfentiefe lässt sich das Hauptmotiv vom Hintergrund abheben. Entscheidend ist aber vor allem der Blick der kreativen Fotografin oder des experimentierfreudigen Fotografen. Manchmal sind gerade die kleinen Details spannend: die analoge Skala des Manometers, das Handrad, das alte Typenschild aus Metall. Mit Hilfe eines Fischaugenobjektivs, wie es Eschbach gerne einsetzt, lässt sich der Raum zudem effektvoll "dehnen".

Viele Motive erschließen sich erst beim Blick durch den Sucher. So ist auch Paul Eschbach auf den Geschmack gekommen: einfach mit der Kamera rausgehen und probieren. Der gelernte Wirtschaftsingenieur ist seit 1991 in der bayerischen Energiewirtschaft tätig, war in Tschechien, der Slowakei und Rumänien unterwegs und ließ sich bei Besuchen von Kraftwerken dort in den Bann schlagen von robuster Maschinentechnik und großen, lichtdurchfluteten Hallen. Eine reizvolle Spielwiese für Fotografen.

So ist das auch in der rot-weiß gekachelten Halle des Laufwasserkraftwerks Obermühle auf der Lände, in Nachbarschaft des Blockheizkraftwerks. Kraftwerksmonteur Lukas Sedlmeier, der den beiden Turbinen des Baujahrs 1949 Tag für Tag den Puls fühlt und zu spüren scheint, wenn irgendwo ein Tropfen Öl fehlt oder eine Mutter nachgezogen werden muss, führt am Raum mit dem zum Notstromaggregat umfunktionierten ehemaligen U-Boot-Diesel vorbei, hinab in den Keller, wo sich die mächtige Welle dreht. Er erläutert die technischen Finessen "seiner" Anlage. Museal anmutende Motive finden sich auch in der alten Leitwarte mit ihren zahllosen Reglern und Knöpfen, die im Notfall für die längst digitalisierte Steuertechnik einspringen könnte.

Ab 20 Kubikmetern Wasser pro Sekunde wird die kleinere Turbine zugeschaltet, die zu den 1000 Kilowatt Leistung weitere 400 Kilowatt beisteuert. An diesem Tag führt die Amper nicht besonders viel Wasser, deshalb arbeitet lediglich die leise surrende Kaplan-Hauptturbine. Mit dem hier erzeugten Strom lassen sich rund um die Uhr bis zu etwa 2500 Haushalte versorgen. Im Vergleich zu einem Kohlekraftwerk bedeutet dies eine Einsparung von jährlich etwa 6000 Tonnen CO₂.

Die 4200 Wasserkraftwerke im Freistaat decken etwa 16 Prozent des Strombedarfs. Nicht weit entfernt von der Obermühle liegt flussaufwärts das von Oskar von Miller entwickelte und erbaute Wasserkraftwerk Schöngeising, das nach der Fertigstellung 1892 über eine sieben Kilometer lange Leitung die Straßenbeleuchtung in Fürstenfeldbruck versorgte. Auch das zweitälteste Laufwasserkraftwerk in Deutschland verrichtet bis heute klaglos seinen Dienst.

Architektur und Technik, Fotowalk im Stadtgebiet Fürstenfeldbruck mit Stationen wie Wasserkraftwerk und Klosterkirche, Paul Eschbach, Freitag , 14. April, 9 bis 17 Uhr, 67 Euro. Mitzubringen sind eigene Kamera oder Smartphone. Insgesamt 13 Fotografie-Workshops und drei Seminare werden bei den Internationalen Fürstenfelder Naturfototagen angeboten. Mehrere Workshops wie die zum Fotografieren von Greifvögeln oder die von Paul Eschbach ebenfalls angebotene Wanderung durch Hoch- und Niedermoor bei Fürstenfeldbruck sind bereits ausverkauft. Information zu verfügbaren Workshops und Buchung unter www.glanzlichter.com.

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