Süddeutsche Zeitung

Vor dem Amtsgericht:Rendezvous mit der Stalkerin

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Ein 46 Jahre alter Familienvater erwirkt eine Kontaktsperre gegen seine 20 Jahre jüngere Geliebte und trifft sich weiter mit ihr. Vor Gericht kommt alles raus.

Ariane Lindenbach

Eine angebliche Stalkerin, die sich vor Gericht als Geliebte eines 20 Jahre älteren Familienvaters entpuppt, und eine betrogene Ehefrau, deren Mann lieber eine Zeugenvernehmung vor Gericht auf sich nimmt, als seiner Frau die Wahrheit zu sagen: Mit dieser Konstellation war ein Brucker Amtsrichter am Montag konfrontiert. Er setzte das Verfahren gegen die 26-jährige Angeklagte aus und stellte eine Einstellung zumindest in Teilen in Aussicht.

Seit 2009, so steht es in der Anklage, soll die junge Frau den Mann, der mit seiner Familie im gleichen Ort im östlichen Landkreis lebt wie sie, täglich mit Anrufen bombardiert und sich trotz Verbots der Wohnung genähert haben. Außerdem habe sie Luft aus den Autoreifen des 46-Jährigen gelassen, seinen Wagen mit einem Zweitschlüssel mehrfach umgeparkt, den Türgriff am Auto der Ehefrau abgerissen und diese bei einem Streit zu Boden geschubst.

Die Eheleute erwirkten vor Gericht zwei je sechs Monate gültige Kontaktverbote, eines im September 2009, das zweite in diesem April. Die soll die junge Frau mehrfach ignoriert haben. Zudem soll sie im April 2010 mit drei Notrufen wegen Körperverletzung im Heim des 46-Jährigen, einer Massenschlägerei an einem Tankstelle und einem vorgetäuschten Selbstmordversuch grundlos Einsatzkräfte beschäftigt haben. Weitere Anklagepunkte werfen der 26-Jährigen vor, eine Frau beleidigt und bedroht sowie den Außenspiegel eines Taxis beschädigt zu haben.

Als die Angeklagte bestritt, dem Mann gegen seinen Willen nachgestellt zu haben, glaubte ihr zunächst keiner. "Bei der ersten Kontaktsperre war das auch schon so", erzählte sie. "Er hat es mit unterschrieben und am gleichen Tag wieder angerufen." Sie habe ihn nur kontaktiert, wenn er zuvor sie "angeklingelt" habe, betonte sie. Und erklärte, das letzte Stelldichein an der Emmeringer Leite sei erst fünf Wochen her.

Zum abgerissenen Türgriff erklärte sie, der sei vorher schon kaputt gewesen, beim Schubser gegen die Ehefrau stellte sie sich als Opfer dar, die Notrufe bestritt sie. Zu aller Überraschung gab der 46-Jährige zu, ein Verhältnis mit der Frau gehabt und von sich aus gegen die erste Kontaktsperre verstoßen zu haben. Doch nach seiner Darstellung, die auch seine Frau glaubt, endete die Affäre Anfang 2010. Erst nach intensiver Befragung durch Richter Johann Steigmayer, den Verteidiger und die Angeklagte, die erklärte, eine Freundin als Zeugin zum letzten Treffen bestellt zu haben, bestätigte der 46-Jährige das letzte Rendezvous Anfang November.

"So wie es angeklagt war, stellt es sich jetzt wohl nicht mehr dar", schloss Steigmayer und regte eine Einstellung des Verfahrens an. Die Staatsanwältin ließ wegen der drei falschen Notrufe nicht mit sich reden. Man einigte sich auf eine Unterbrechung. Derweil soll der Verteidiger mit der 26-Jährigen über ein Geständnis reden, sonst werden weitere Zeugen geladen. Wie der Vorsitzende andeutete, bleiben die bereits gestandene Beleidigung und Sachbeschädigung an dem Taxi bestehen, alle Anklagepunkte im Zusammenhang mit der verhängnisvollen Affäre werden voraussichtlich eingestellt.

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Quelle:
SZ vom 07.12.2010
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