Süddeutsche Zeitung

Verhandlung vor dem Landgericht:Steifer Zeigefinger

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31-jährige Sachbearbeiterin verklagt Kreisklinikum auf Schmerzensgeld in Höhe von 15 000 Euro. Laut einem Sachverständigen sollen den Ärzten bei Operation und Behandlung "grobe" Fehler unterlaufen sein

Von Andreas Salch, Fürstenfeldbruck/München

Das Klinikum Fürstenfeldbruck soll einer 31-jährigen Sachbearbeiterin 15 000 Euro Schmerzensgeld wegen einer misslungenen Operation an deren linken Zeigefinger bezahlen. Bei der Behandlung seien den Ärzten der Klinik drei zum Teil "grobe Behandlungsfehler" unterlaufen, sagte ein Sachverständiger an diesem Dienstag in der Verhandlung vor der 1. Zivilkammer für Heilberufe am Landgericht München II. Seit der OP am Klinikum Fürstenfeldbruck im August 2012 ist der linke Zeigefinger der Klägerin versteift. Diese Einschränkung hat durchaus gravierende Folgen für die junge Frau. Als Sachbearbeiterin arbeite sie viel am Computer, wie sie am Rande der Verhandlung sagte.

Im Sommer 2012 war der linke Zeigefinger der heute 31-Jährigen angeschwollen. Daraufhin hatte sie einen niedergelassenen Orthopäden konsultiert. Dieser verwies sie ans Klinikum Fürstenfeldbruck. Wie die Sachbearbeiterin vor Gericht darlegte, habe sie zum Ausdruck gebracht, dass die Schwellung mit einer konservativen Methode, nämlich einer Cortison-Injektion behandelt werden solle. Doch davon sollen die Ärzte der jungen Frau abgeraten haben. Begründet haben sollen sie diese Entscheidung damit, dass die Schwellung im Zeigefinger von einer Beugesehnenscheideentzündung herrührten. Diese Argumentation, so der Sachverständige, halte er für "grob falsch." Im ärztlichen Protokoll der Klink fanden sich später allerdings keine Angaben zu einem Infekt. Abgesehen davon, sagte der Sachverständige, hätte die Sachbearbeiterin bei einem Infekt sofort operiert werden müssen und nicht erst, wie geschehen, acht Tage später.

Außerdem monierte der Experte die Operationsmethode der Klinik. Die, die Ärzte anwandten, habe nicht derjenigen entsprochen, in die die Patientin bei einem Vorgespräch eingewilligt hatte. Der Schnitt von der Handinnenfläche bis unter die Zeigefingerkuppe an der linken Hand der Klägerin "ist abweichend von dem, was vorbesprochen wurde", stellte der Sachverständige fest und fügte hinzu, dass ihm die Dokumentation in den Aufklärungsbögen der Klinik ein "Problem" bereitete. Ihm sei nicht klar, warum die Ärzte des Klinikums den ganzen Finger ihrer Patientin geöffnet haben. Aus seiner Sicht hätte bei einer OP nur ein kleiner etwa 1,5 Zentimeter großer Schnitt am Ansatz des Zeigefingers gemacht werden müssen. In diesem Fall wäre der Eingriff nach nur etwa zehn Minuten vorüber gewesen. Die viel kompliziertere OP, die ein Operateur des Klinikums machte, dauerte indes eineinviertel Stunden.

Auch die Nachbehandlung der 31-Jährigen sei "grob fehlerhaft" gewesen, erklärte der Sachverständige. Es hätte angesichts der Operation einer "eingehenden fachärztlichen Kontrolle" bedurft. Doch die unterblieb. Stattdessen habe der Orthopäde der Klägerin die Nachbehandlung übernommen, ohne vom Klinikum genau instruiert worden zu sein. Dies könne man nicht als eine "ordentliche Nachbehandlung" bezeichnen, sagte der Sachverständige. Der Anwalt der Sachbearbeiterin verlangte ein Schmerzensgeld in Höhe von 10 000 Euro. Doch die Richter befanden, die Summe müsse "mindestens 15 000 Euro" betragen. Sollte das Klinikum diesem Vergleich nicht zustimmen, verkündet das Gericht Ende April ein Urteil.

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Quelle:
SZ vom 01.02.2017
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