Süddeutsche Zeitung

Streit um Urheberrecht:Neue Bühne setzt Vagina-Monologe ab

Lesezeit: 3 min

Wegen eines Urheberrechtsstreits darf das Stück der New Yorker Theaterautorin Eve Ensler nicht länger in Fürstenfeldbruck gespielt werden. Bis Ende Mai sind alle weiteren Vorstellungen ersatzlos gestrichen.

Von Anna Günther

Vagina. Allein das Wort führt noch heute in manchen Kreisen im besten Fall zu hochgezogenen Augenbrauen. Die Neue Bühne Bruck hatte das weibliche Geschlechtsorgan zum Mittelpunkt der aktuellen Spielzeit gemacht und mit Barbara Lackermeiers Inszenierung der "Vagina-Monologe" Anfang März eine gefeierte Premiere hingelegt. Doch wegen Konflikten mit den Rechteinhabern darf das Stück nicht länger in Fürstenfeldbruck gespielt werden. Theaterleiter Harald Molocher musste alle weiteren Vorstellungen bis Ende Mai absagen. Die Rechteinhaber hatten eine Geldstrafe von 5000 Euro angedroht und die sofortige Einstellung des Stücks gefordert.

Die amerikanische Theaterautorin Eve Ensler polarisierte, als sie 1996 in New York "Die Vagina Monologe" als Kunst-Performance auf die Bühne brachte, doch das Stück wurde zum Kassenschlager am Broadway, wo Schauspielgrößen wie Whoopi Goldberg, Glenn Close oder Winona Ryder mitwirkten, und sogar vom amerikanischen Sender HBO verfilmt. Ensler hatte eine Episodensammlung von Monologen aus 200 Interviews mit Frauen zusammengestellt, die von ersten sexuellen Erlebnissen über das Erleben einer Vergewaltigung in Bosnien bis hin zu den Erfahrungen einer 70-Jährigen reichen. Im Juni 2000 brachte das Staatstheater Stuttgart die "Vagina-Monologe" erstmals auf deutsche Bühnen.

Seit drei Wochen verhandle er schon mit der Agentin, welche die deutschen und europäischen Rechte an Eve Enslers Theaterstück vertritt, sagt Neue-Bühne-Chef Molocher betroffen - ohne Erfolg. Er habe sich mit dem Team besprochen und am Donnerstag beschlossen, einzulenken. "Wir sind alle total enttäuscht, aber ich habe jetzt mitten in der Spielzeit keine Möglichkeit mehr, das Stück zu ändern. Und auch keine Intention, das zu tun", sagt Molocher.

Die Thematik an sich sei schon prekär genug, und er stehe voll hinter Lackermeiers Inszenierung, die "unheimlich stark" sei und trotzdem große Leichtigkeit vermittle. Die Münchner Regisseurin hatte eine Collage für die Neue Bühne Bruck erdacht und Enslers Vorlage um drei selbst geschriebene, kabarettistische Lieder und zwei fremde Texte ergänzt. Die New Yorkerin besteht aber darauf, dass der Text unverändert bleibt und von drei Frauen auf der Bühne vorgelesen wird. In Fürstenfeldbruck wurden die "Vagina-Monologe" schauspielerisch von vier Frauen dargestellt. Enslers Agentin beanstandete außerdem, dass eine alte Textversion benutzt worden sei - die Autorin möchte nicht länger, dass der Monolog über das Erleben der Menstruation aufgeführt wird.

Lackermeier kann die Reaktion der Autorin nicht verstehen: "Das ist ein wichtiges Stück, das muss gespielt werden, wir wollen doch alle das Gleiche, ob mit drei Schauspielern oder vieren." Sie habe die Inszenierung bewusst anders gemacht, denn Enslers "hölzerne" Version habe etwas sehr deprimierendes. Lackermeier wollte mit dem Lustfaktor ins Theater locken - gerade die Männer -, damit sie etwas mitnehmen und sich mit dem Thema Vagina beschäftigen. "Theater soll ein sinnliches Erlebnis sein" und die Resonanz gerade der jungen Männer sei toll gewesen, sagt Lackermeier.

Die deutsche Übersetzerin des Stückes war im Internet auf ein Video der Neuen Bühne aufmerksam geworden und hatte Enslers Agentin informiert. In Deutschland werde die künstlerische Freiheit deutlich lockerer gehandhabt als in den USA, sagt Molocher. Es sei üblich, den Text nach der Lizenzierung für die eigene Bühne zuzuschneiden, er habe die Abweichung von Enslers Vorlage "nicht so ernst gesehen".

Wenn in den Lizenzverträgen keine dezidierten Vereinbarungen stehen, seien Regisseure an den Text gebunden, haben in der Inszenierung aber einen gewissen Freiraum, erklärt der Münchner Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht Richard Hahn. Finden Autoren allerdings, dass die Inszenierung ihr Stück "entstellt", können sie gemäß Paragraf 14 Urheberrechtsgesetz diese Entstellung oder Beeinträchtigung des Werkes verbieten. "Damit kommt man in Deutschland immer durch", sagt Hahn.

"Das war Schludrigkeit von mir", räumt Molocher ein. Diese Nachlässigkeit dürfte teuer werden, selbst wenn die Neue Bühne keine Strafe zahlen muss. Zehn Vorstellungen fallen bis Ende Mai aus, nicht einmal die Produktionskosten von 3000 Euro sind eingespielt. Ein neues Stück kann Molocher so schnell nicht auf die Beine stellen, er steckt mitten in den Planungen für die neue Spielzeit im September. "Das ist ein großes Problem, aber wir werden das irgendwie lösen", sagt er. An den Stücken werde er nicht sparen, "dann haben wir halt zehn Scheinwerfer weniger."

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SZ vom 06.04.2013
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