Süddeutsche Zeitung

TV-Serie:Wo Zischl kotzt

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Die in Olching gedrehte zweite Staffel von "Hindafing" läuft im Fernsehen

Von Erich C. Setzwein, Olching

Wer lange genug in der Kommunalpolitik ist oder sie beobachtet, wer sich in den Fluren und Stiegenhäusern des Landtags schon mal verlaufen hat, der könnte eine solche Story höchstens träumen. Alfons Zischl, Bürgermeister in einem Dorf, das so aussieht wie Olching, aber Hindafing heißt, wird in den Landtag gewählt, schießt der Ministerpräsidentin in den Rücken und wird selbst zur Zielscheibe von Terroristen. Das ist, in aller Kürze und um nur wenig zu verraten, der Inhalt der zweiten Staffel von "Hindafing". Weitere sechs Teile der Serie über Zischl und den Metzger Goldhammer, über Islamisten und Rechtsradikale, über die Rote Armee Fraktion geht es, nur über eines nicht: die Liebe. Dafür ist umso mehr Action und blutiges Spektakel geboten.

Hindafing, das ist Breaking Bad in Olching. Einige Stunden wirklich gute Unterhaltung wird jenen geboten, die für tiefschwarzen Humor und grauslige Szene anfällig sind, die Zischls Macho-Gehabe und sein Gespinst aus Versprechungen, leeren Drohungen und glatten Lügen mögen. Die Zuschauer können mit dem großartigen, Maximilian Brückner in der Hauptrolle des Alfons Zischl mitleiden, den verschlagenen und geschundenen Protagonisten beim Kotzen nach der Chemotherapie zusehen und stets erwarten, dass dessen Ende droht und die Serie vorzeitig vorbei ist. Doch Brückner spielt den Ex-Bürgermeister von Hindafing und neuen Landtagsabgeordneten in seinem Bürocontainer vor dem Hindafinger Rathaus, das so aussieht wie das Olchinger, so überzeugend, dass man ihm ständig aus der Patsche helfen möchte. So wie seine Sekretärin Angie. Eine kleine, aber so herzlich-naive Rolle für Johanna Bittenbinder, die dem Alfons, bei dessen Geburt sie dabei war, zu unerwarteten Telefonkonferenzen verhilft und ihm treu ergeben ist, auch als er sie rauswirft.

Den Dreck, den Zischl in Olching, nein: Hindafing, hinterlässt, räumen vor allem die Goldhammers weg. Petra Berndt als Gabi und Andreas Giebel als Sepp können einem den Appetit schon richtig versauen, wenn sie die Opfer eines schief gegangenen Waffendeals handwerklich sauber verarbeiten. "Der Geschmack in der Wurst kommt nicht vom Fleisch", sagt Sepp Goldhammer bis zu den Oberarmen im Blut, und Gabi schüttet einen Eimer Gewürzsalz dazu.

Mit Olching hat Hindafing nichts zu tun. Niklas Hofmann, Rafael Parente und Boris Kunz, die für das Drehbuch verantwortlich zeichnen, müssen nicht betonen, dass die Figuren und Schauplätze frei erfunden sind. Die Themen, die in Hindafing (Regie: Boris Kunz) aufgearbeitet werden, lehnen sich an aktuelle an. Was so in Großmetzgereien passiert, weiß ja keiner so genau, wie die Waffenhersteller via Vatikan die Sturmgewehre verticken, dürfte auch nicht allen geläufig sein, und wie es im Landtag zugeht, ja das wissen doch eigentlich auch nur wenige. Wie gut, dass es den Alfons Zischl gibt, durch den alles ans Licht kommt. Nur mit der Liebe, da tun sich alle schwer in Hindafing. Der Alfons und seine schwangere Marie, der Sepp und seine Gabi, die schwulen Pfarrer, und auch für den salafistischen Goldhammer-Sohn Moritz gibt es aus dramaturgischen Gründen keinen zweiten Kuss von Soldatin Kim. Hindafing, das ist kein Platz für die Liebe. Nur im furiosen Finale blitzt etwas durch.

Die beiden Staffeln von "Hindafing", werden derzeit in der Arte-Mediathek angeboten, die komplette zweite Staffel läuft von Dienstag, 26. November, an jeweils von 20.15 Uhr an in Doppelfolgen im Bayerischen Fernsehen. In der Mediathek ein Fest für alle, die gerne komaglotzen, von einer Folge zur nächsten, einen halben Sonntag lang oder auch mal eine Nacht durch. Dann aber könnte der Zuschauer so elend aussehen wie der Abgeordnete aus Olching, nein: Hindafing.

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Quelle:
SZ vom 05.11.2019
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