Süddeutsche Zeitung

Türkenfeld:Ritterliche Gaudi auf dem Wasser

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Auf dem Dorfweiher steigt am Sonntag das neunte Fischerstechen. Diesmal treten 16 Teams in Booten gegeneinander an. Sieger ist, wer den standfestesten Lanzenstecher in seinen Reihen hat

Von Valentina Finger, Türkenfeld

Auf dem Dorfweiher geraten der Türkenfelder Musikverein und die Freiwillige Feuerwehr Zankenhausen aneinander. Mit lanzenartigen Stäben attackieren sich Feuerwehrmann Peter Mayr und Musiker Moritz Thalmayr. Beide fallen gleichzeitig ins Wasser. Ihre Mannschaftskollegen in den Ruderbooten johlen auf. Die Menge applaudiert etwas verunsichert.

"Das wäre jetzt so eine Situation für unseren Videobeweis", erklärt Wolfgang Neumeier von der Feuerwehr Türkenfeld. Per Videoaufzeichnung könne ermittelt werden, welcher der Konkurrenten als erster die Wasseroberfläche berührt und die Runde damit verloren habe. Doch im Moment ist das nicht wichtig. Seit etwa einer Woche wird auf dem Weiher lediglich in entspannter Dorffest-Atmosphäre für das große Fischerstechen-Turnier geübt, das an diesem Sonntag zum neunten Mal stattfindet.

Fischerstechen ist ein alter Brauch, der gegenwärtig nur noch in wenigen Regionen, hauptsächlich in Deutschland, Österreich, Frankreich und der Schweiz, am Leben gehalten wird. Im Umkreis Fürstenfeldbrucks ist Türkenfeld die einzige Gemeinde, die in der Disziplin, bei der zwei sogenannte Stecher versuchen, den jeweils anderen mit speziellen Lanzen vom Ruderboot der Gegnermannschaft zu stoßen, einen Wettkampf veranstaltet. Vor 38 Jahren hat die Freiwillige Feuerwehr, der Neumeier seit sechs Jahren vorsteht, erstmals ein solches Turnier in Türkenfeld abgehalten. Als Schmied habe der damals zweite Kommandant Johann Thalmayr zuvor bei der Errichtung der Ruderregattastrecke für die Olympischen Spiele in München mitgewirkt. Später sei er im dortigen Ruderverein aktiv gewesen. Irgendwann habe man sich mal zwei Boote ausgeliehen und so kam es 1981 zum ersten Fischerstechen. Danach wurde ein paar Jahre pausiert. Erst seit 1998 findet der Wettkampf, bei dem zuletzt knapp 3000 Besucher mitfieberten, alle vier Jahre statt.

Dem Turnier am Sonntag, wobei die Mannschaften in einer ausgelosten Reihenfolge gegeneinander rudern, bis am Ende noch ein Stecher steht, geht eine neuntägige Übungsphase voraus. Am Ufer sind Bierbänke aufgestellt, es gibt Speisen und Getränke. Das Holzpodest, von wo aus mehrere Hundert Besucher den Ruderern jeden Abend beim Trainieren zusehen können, haben die Schreiner und Zimmerer im Feuerwehrverein eigenhändig errichtet. Darüber hinaus gibt es auch Pavillons, die die Zuschauer im Falle vor Regen schützen.

"Für uns Ehrenamtliche ist das ein Riesenaufwand", sagt Neumeier, der sich wie viele für die Organisation mehrere Tage Urlaub genommen hat. Schon seit November hat ein Festausschuss Genehmigungen eingeholt, Teilnehmer koordiniert und von einem Verein aus Steppberg Boote, Ruder und Lanzen organisiert. Das Equipment ist notwendig, da die Türkenfelder das französische Fischerstechen praktizieren. Dabei rudern die Mannschaften, ähnlich wie beim Ritterturnier, zunächst direkt aufeinander zu. Wenn dann das Kommando ertönt, werden die Ruder aus dem Wasser genommen und die Stecher gehen ans Werk.

Beim Turnier treten 16 je sechsköpfige Teams gegeneinander an. Aus Türkenfeld sind neben dem Musikverein unter anderem noch der Krieger- und Soldatenverein und die Stammtischgruppe "Africa Disco" dabei, aus Moorenweis die Freiwillige Feuerwehr und der TSV. Vereine aus Kottgeisering, Windach, Beuern, Eching und Geltendorf haben ebenfalls Mannschaften zusammengestellt. Besonders die Geltendorfer, die den Pokal in den vergangenen beiden Turnieren gewonnen haben, gelte es diesen Sonntag zu schlagen, sagt Neumeier.

Dieses Jahr kommt außerdem noch Besuch aus Österreich dazu: Aus der Türkenfelder Partnergemeinde Oberdrauburg in Kärnten hat sich die Freiwillige Feuerwehr angekündigt. Damit die Österreicher dabei sein können, haben Neumeier und seine Feuerwehrkollegen sogar extra ihren eigenen Startplatz geopfert und rudern dieses Jahr nicht selbst mit. "Die Kärntner haben das vorher noch nie gemacht", sagt Neumeier. "Aber wir werden ihnen am Samstag auf jeden Fall noch einen Schnellkurs im Fischerstechen geben."

Das 9. Fischerstechen am Dorfweiher Türkenfeld (Weiherstraße) startet am Sonntag, 25. August, um 11 Uhr mit einem Festeinzug; Ausweichtermin bei Regenwetter ist der 1. September.

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SZ vom 22.08.2019
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