Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: "Inklusion":Seltener Beruf

Lesezeit: 2 min

Der 19 Jahre alte Maximilian Klameth macht eine Ausbildung zum Hörgeräteakustiker

Von Valentina Finger, Puchheim

Auf jeden Fall wollte Maximilian Klameth etwas mit Technik machen. Dass er einmal schwerhörigen Menschen das Leben erleichtern würde, daran hatte er dabei nicht gedacht. Veranstaltungstechniker war einmal sein Ziel. Doch nun macht er eine Ausbildung zum Hörgeräteakustiker. "Alles, was mit Akustik, Sound-Einstellungen und ähnlichem zu tun hat, hat mich immer schon interessiert", sagt Klameth. Im September startet sein zweites Lehrjahr in der Puchheimer Filiale von Hörgeräte Seifert. Wenn der 19-Jährige anderen von seiner Ausbildung erzählt, seien alle interessiert. Doch einige hätten vorher nicht gewusst, dass es diesen Beruf überhaupt gibt. Genau wie er.

"Viele Jugendliche brauchen eine Brille, aber nur wenige ein Hörgerät. Folglich kommen sie mit dieser Tätigkeit kaum in Berührung", erklärt Peter Nitschke, der die Filialen in Puchheim und Gröbenzell leitet. Auszubildende zu finden, sei deshalb nicht leicht.

In der Regel lernt man den Beruf durch hörgeschädigte Familienmitglieder kennen. So auch Maximilian Klameth. Sein jüngerer Bruder ist leichtgradig schwerhörig und trägt ein Hörgerät seit er 15 Jahre alt ist. Einmal hat Klameth ihn zum Anpassen des Geräts begleitet. "Da waren ein paar junge Angestellte, die mir erzählt haben, dass das ein cooler Job ist, den nicht viele machen", sagt Klameth, der mit seiner Familie in Dachau lebt.

Nachdem ihn sein Praktikum in der Veranstaltungstechnik ohnehin nicht ganz überzeugt hatte, bewarb er sich blind bei Hörgeräte Seifert. Seitdem misst er den Hörverlust der Kunden, stellt Hörgeräte ein und reinigt sie. Ein großer Teil der Arbeit passiert am Computer. Doch das Zwischenmenschliche ist genauso wichtig. "Menschen, die zu uns kommen, haben oft das Gefühl, eine Behinderung zu haben und anders zu sein als andere. Diese Schwellenangst müssen wir nehmen", sagt Nitschke. Psychologisches Fingerspitzengefühl ist deswegen eine wichtige Voraussetzung für den Beruf.

Maximilian Klameth weiß mittlerweile, wie er mit den Kunden umgehen muss. Langsam und deutlich muss er sprechen, komplizierte Sätze dabei vermeiden. Für ihn ist es die größte Bestätigung, wenn sich die Stimmung der Menschen mit dem neuen Hörgerät verändert. "Manche reden vor der Messung nicht viel. Wenn sie dann hören können, freuen sie sich und die Unsicherheit ist wie weggeblasen", erzählt er. Einige seiner Mitschüler an der Berufsschule kennen das Gefühl: Viele zukünftige Hörgeräteakustiker tragen selbst ein Hörgerät.

Da es bundesweit nur eine Berufsschule für diese Lehre gibt, verbringt Maximilian Klameth drei Monate in Lübeck. Was er dort lernt, reicht von Betriebswirtschaft bis Akustik oder Audiologie. Ein gutes Verständnis für Mathe und Physik ist von Vorteil. Aber: "An der Realschule war ich nie gut in Mathe. Trotzdem hatte ich in Akustik bisher immer eine Eins."

Ein wenig wirkt sich der Beruf auch auf sein Verhalten im Alltag aus: Er redet lauter - auch mit Leuten, die nicht schlecht hören. So kommt es immer mal wieder vor, dass ihn seine Eltern zu Hause ermahnen: "Schrei nicht so!"

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Quelle:
SZ vom 29.08.2016
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