Süddeutsche Zeitung

Streit im Gemeinderat:Schwarz-grüne Radl-Allianz

Lesezeit: 2 min

Obwohl Zählungen ergeben haben, dass in bestimmten Straßen Eichenaus weniger Fahrräder als Autos unterwegs sind, verlangen CSU und Grüne die Einrichtung von Fahrradstraßen. Bürgermeister Peter Münster hält den Mehrheitsbeschluss für rechtswidrig

Von Erich C. Setzwein, Eichenau

Es kommt sicher nicht oft vor, dass Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer von den Grünen lobend erwähnt wird. Schließlich ist er bei der CSU und nicht als Klimaaktivist bekannt. Dennoch hat er sich bei der Vorlage eines ganzen Katalogs von Änderungen im Straßenverkehr erst vor Kurzem als selbst ernannter "Fahrradminister" wohl so hervorgetan, dass er am Dienstagabend im Eichenauer Gemeinderat von Umweltreferentin Marion Behr zitiert wurde. Denn die neuen "Fahrradzonen" sowie weitere Rechte für Radfahrer in Städten und Gemeinden sollen mehr Menschen bewegen, auf das Fahrrad umzusteigen und neue Maßnahmen sollen den Fahrradverkehr beschleunigen. Doch so einfach wie Scheuer sich das vorgestellt haben mag und wie die Grünen ihn interpretieren, wird es in Eichenau nicht gehen. Denn Bürgermeister Peter Münster (FDP) hält den am Dienstag gefassten Beschluss, die Schulstraße und die Parkstraße zu "Fahrradstraßen" im Sinne der Straßenverkehrsordnung zu machen, "schlicht für rechtswidrig".

Anfang Juli fasste der Gemeinderat den Beschluss über Fahrradstraßen in der Park-, Schul- und Zugspitzstraße sowie in der Roggensteiner Allee West. Fahrradstraßen können dort eingerichtet werden, wo besonders viel Radler unterwegs sind. Autos können dort ausgesperrt werden oder werden "nachrangig" behandelt. Um ein genaues Bild über den Fahrradverkehr in jenen Eichenauer Straßen zu bekommen, ließ die Gemeinde nach den Ferien im September den Verkehr zählen.

Um als Fahrradstraße eingestuft zu werden, müsste das Fahrrad das "vorherrschende Verkehrsmittel" sein, sagte der Bürgermeister. Doch das ist das Fahrrad in den geprüften Straßen nicht. Das belegen die Ergebnisse der Verkehrszählung. In der Zugspitzstraße sind zwischen 24 und 32 Prozent der Verkehrsteilnehmer mit "Kleinfahrzeugen", also Zweirädern, unterwegs, ähnliche Werte erreichen die Park- und die Schulstraße. Nur im Abschnitt zwischen dem Bärenweg und der Brücke Zur Leite auf der Roggensteiner Allee bilden Fahrradfahrer die Mehrheit, sie machen einen Anteil am Gesamtverkehr von bis zu 89 Prozent aus. Das Fazit einer Verkehrsbesprechung mit Vertretern von Gemeinde, Landratsamt und Polizei im Oktober lautete deshalb: Fahrradstraßen seien verkehrsrechtlich weder erforderlich noch zulässig.

Darauf gründete der Bürgermeister seine Meinung, ein Beschluss zur Einrichtung von Fahrradstraßen sei rechtswidrig, und er werde ihn nicht ausführen. Wie zuletzt bei anderen umstrittenen Diskussionen zu beobachten, bauten am Dienstagabend die Grünen mit Teilen der CSU-Fraktion Widerstand gegen Münster auf. Hatte sich CSU-Fraktionssprecherin Céline Lauer zunächst noch gegen Fahrradstraßen ausgesprochen, so änderte sie ihre Meinung, als der Antrag aus ihrer eigenen Fraktion für Park- und Schulstraße gestellt wurde. Ihr Fraktionskollege Michael Wölfl formulierte den Antrag und legte sich fest: "Wenn scho' rechtswidrig, dann g'scheit." Den Stein so richtig ins Rollen gebracht hatten Marion Behr von den Grünen, die den CSU-Verkehrsminister ausführlich zitierte, und Gewerbereferent Peter Zeiler von der CSU, der Behr erneut bei einem ihrer Anliegen unterstützte. Abgelehnt wurden hingegen die Vorschläge, auch in der Roggensteiner Allee und der Zugspitzstraße Fahrradstraßen einzuführen.

Vorbild für Eichenau ist unter anderem Gröbenzell, wo die erste Fahrradstraße im Landkreis im Dezember 2009 eingerichtet wurde. Der Antrag dazu stammte damals von den Grünen, die ein Zeichen setzen wollten. Sie gewannen mit ihrer Kampagne "Pro Fahrrad" alle Fraktionen im Gemeinderat für ihre Idee, und zwischen dem Beschluss und der Umsetzung standen nur zehn Wochen. Anders, als es Peter Münster im Gemeinderat dargestellt hatte, seien die Gröbenzeller Fahrradstraßen rechtskonform und blieben auch bestehen, sagte Gröbenzells Bürgermeister Martin Schäfer (UWG) am Mittwoch.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4700339
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.11.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.