Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht:Sexuelle Belästigung bei der Arbeit

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Amtsrichter verhängt 2400 Euro Strafe gegen Schichtleiter, der eine Untergebene wiederholt bedrängte.

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Sie arbeitete als "Mädchen für alles" in der Flüchtlingsunterkunft im Fliegerhorst. Bis die 53-Jährige zum dritten Mal von ihrem Vorgesetzten sexuell belästigt wurde. Danach kündigte sie. Ihr damaliger Chef, 35, musste sich nun wegen der Übergriffe vor dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck verantworten. Der Richter sprach ihn schließlich in zwei Fällen schuldig, einmal in Verbindung mit vorsätzlicher Körperverletzung, und verhängte eine Geldstrafe über 2400 Euro.

Insgesamt drei Vorfälle legt die Staatsanwaltschaft dem 35-Jährigen zur Last, bei denen er seine ihm untergebene Kollegin geküsst oder unsittlich angefasst haben soll. In einem Fall hatte er die heute 53-Jährige in ein Zimmer gerufen, hinter ihr abgesperrt, sie umarmt, geküsst und ihr an Brüste und Gesäß gefasst. Bei einer anderen Gelegenheit soll der Angeklagte auch eine weitere Untergebene mit einem Griff an den Po belästigt haben.

"Jeder Mensch macht Fehler im Leben und ich möchte nicht, dass ihm etwas passiert." Mehrfach unterstreicht die Geschädigte, dass sie kein Interesse an einer Strafverfolgung ihres damaligen Chefs habe. Sie berichtet, wie sie der Angeklagte in seiner Funktion als Schichtleiter eines Nachts alleine in ein Zimmer gerufen und hinter ihr abgesperrt hatte. "Er hat mich umarmt und geküsst. Er hatte die Tür zugesperrt, mich ins Gesicht geküsst, die Brüste angefasst." Obwohl die aus Rumänien stammende Frau das Verhalten des Angeklagten auch zwei Jahre danach noch herunterspielt, merkt man ihr während der Schilderung noch an, wie sehr sie das Erlebte mitnimmt. Sie habe damals schon Angst gehabt vor ihm, bejaht sie eine Frage des Richters. Beim zweiten Vorfall war der Zeugin zufolge eine Kollegin dabei, der der 35-Jährige ebenfalls an den Hintern fasste - und ihr selbst mit Schwung draufhaute, weshalb ihn der Richter auch wegen Körperverletzung verurteilt.

Der Angeklagte schweigt zunächst zu den Vorwürfen. Und bei zwei ehemaligen Kollegen der Geschädigten sind die Aussagen aufgrund sprachlicher Differenzen nicht zu verwerten. Zwei weitere Kollegen von damals können zumindest bestätigen, dass die 53-Jährige ihnen seinerzeit von den Übergriffen erzählt hatte. Er habe sie damals weinend angetroffen und sie habe ihm auf Nachfrage erzählt, "dass der Schichtleiter sie belästigt hat". Konkret hatte sie ihm von den Griffen an Brust und Po erzählt.

Die Schilderung des vierten Zeugen klingt ähnlich, auch wenn er zunächst betont "überhaupt gar nichts gesehen" zu haben. Aber immerhin war der 37-Jährige damals der Teamleiter und hatte auch einen Bericht über den Vorfall verfasst; der war schließlich Auslöser für die Anzeige bei der Polizei. Demnach erzählte ihm seine damalige Kollegin, dass der Schichtleiter sie am Gesäß angefasst und zu küssen versucht hatte. Vom Vorsitzenden Richter Martin Ramsauer nach dem emotionalen Zustand der Frau gefragt, erwidert der Zeuge: "Sie war schon aufgeregt." In seinem Bericht heißt es: "Sie zitterte am ganzen Körper und weinte."

Bei einem Rechtsgespräch einigen sich die Prozessbeteiligten darauf, den dritten Punkt der Anklage wegzubeschränken, wenn der Angeklagte die anderen gesteht. "Zwei Fälle der sexuellen Belästigung, ich habe keinen Zweifel", resümiert der Staatsanwalt schließlich in seinem Plädoyer. Und verweist darauf, dass der Angeklagte offenbar noch eine weitere Kollegin belästigt hatte. "Das macht das Bild rund", betont er. Die Geschädigte selbst habe auf eine Strafverfolgung verzichtet und der Angeklagte bisher keine Vorstrafen. Jedoch sei es "nicht unerheblich, wenn auch noch die Tür abgesperrt wird". Auch der Richter hebt in seinem Urteil hervor, "dass die Geschädigte nachhaltig beeindruckt war"; immerhin hatte sie nach dem dritten Vorfall ihren Job aufgegeben. Er verhängt gegen den 35-Jährigen eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 30 Euro wegen zwei Fällen des sexuellen Missbrauchs in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung.

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