Süddeutsche Zeitung

Schöngeising:Optimal nachhaltig

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Recycling war auf dem Jexhof Prinzip

Von Ingrid Hügenell, Schöngeising

Als die Treppe im Wohnhaus vor etwa hundert Jahren durch eine neue an anderer Stelle ersetzt wurde, wurde die alte nicht weggeworfen. Sie kam statt dessen in ein Nebengebäude, das Zugleich Back-, Schlacht- und Waschhaus war und obendrein als Austragshäusl diente. So erzählte es Elisabeth Lang bei ihrer Führung im Bauernhausmuseum Jexhof, um zu zeigen, dass die Menschen früher viel weniger weggeworfen haben.

Nachhaltigkeit war eines der Themen des diesjährigen Denkmaltags am Sonntag, an dem sich auch der Jexhof wieder beteiligte. Lang griff es bei ihrer Führung immer wieder auf. Wenn die Bauersfamilie Riedl am Haus etwas verändern wollte, riss sie nicht etwa alte Teile ein und baute neu. Vielmehr sei umgebaut und dadurch viel "graue" Energie gespart worden. So bezeichnet man die Energie, die für Herstellung, Lagerung, Transport und Entsorgung von Baumaterialien und die Errichtung von Gebäuden aufgewendet werden muss. Das kann ebenso viel sein, wie bei der Nutzung anfällt. "Unter diesem Gesichtspunkt schneidet der Jexhof optimal ab", erklärt Lang der kleinen Gruppe, die sich der kostenlosen Führung angeschlossen hat.

Mit dabei war Jessica Feldmann, eine gehörlose Museumsführerin. Sie wird künftig Führungen im Jexhof in Gebärdensprache anbieten und ist bisher schon im Deutschen Museum tätig. Um Lang folgen zu können, hatte Feldmann die Gebärdendolmetscherin Michaela Weisgerber aus Mammendorf mitgebracht.

Im Recycling waren die Leute früher ziemlich gut. Lang zeigt einen Quirl oder Schneebesen, der aus der Spitze eines Weihnachtsbaums geschnitzt wurde. Als für die Küche der Bauern ein neuer Tisch angeschafft wurde, bekamen Knechte und Mägde den alten Tisch. Selbstverständlich nutzte die Bäuerin den Vorgarten, um Gemüse und Blumen anzubauen.

Einen Schottergarten anzulegen und gute Erde ungenutzt zu lassen, wäre ihnen nicht in den Sinn gekommen. Dabei war die Familie Riedl durchaus modern eingestellt. Schon 1912 ließ Bauer Josef Riedl Strom vom Wasserkraftwerk Schöngeising ins Haus legen, Maria Riedl fuhr in den Dreißigerjahren Motorrad. Die Nachhaltigkeit war wohl eher der Notwendigkeit geschuldet. Reparatur und Wiederverwendung wurden Lang zufolge dadurch erleichtert, dass alles aus drei Materialgruppen bestand: aus mineralischen Werkstoffen wie Ton und Steinen, organischen wie Holz und Stroh fürs Dach sowie wenigen Metallen. "In modernen Fenstern finden wir dagegen bis zu 50 unterschiedliche Kunststoffe", sagte Lang. Das erschwere Wiederverwertung und Entsorgung.

Dass man auch heute mehr richten und weniger wegwerfen konnten, zeigten die Ehrenamtlichen des Gröbenzeller Repair-Cafés, die im Innenhof des Jexhofs an mehreren Tischen Elektrogeräte instand setzten. Ihnen gehe es vor allem darum, das Konzept bekannter zu machen, erklärten Walter Voit und Ariane Zuber. Zu den drei bis vier Terminen pro Jahr kommen Voit zufolge jeweils 60 bis 70 Leute, die Erfolgsquote liege bei etwa 70 Prozent. Gerichtet werden Räder und PCs, Haushaltsgeräte und Unterhaltungselektronik, außerdem gibt es eine Kleidertauschbörse und eine Sammelbox für alte Handys. Der nächste Termin in Gröbenzell ist für den 17. Oktober geplant, wer kommen will, muss sich unter Telefon 08142/53 576 oder per E-Mail an info@bundnaturschutz.groebenzell anmelden.

Am Sonntag hielt sich der Andrang in Grenzen. Wegen des warmen Wetters waren Plätze im Jexhof-Biergarten stärker gefragt. Wirtin Renate Sirtl hatte alle Hände voll zu tun, auch damit, unwillige Gäste von der Einhaltung von Maskenpflicht und Abstandsregeln zu überzeugen. Dennoch schaffte sie es, auch späten Gästen noch eine improvisierte Brotzeit auf den Tisch zu stellen.

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Quelle:
SZ vom 15.09.2020
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