Süddeutsche Zeitung

Extremismus:Salafisten wollten Moschee in Fürstenfeldbruck infiltrieren

Lesezeit: 3 min

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Salafisten haben offensichtlich im Jahr 2016 den neu gegründeten Brucker muslimischen Kulturverein infiltriert und eine Zeit lang "tragende ideologische Funktionen innerhalb des Vereins" ausgeübt, wie der Verfassungsschutz bestätigt. Die versuchte Machtübernahme der Anhänger eines Islams aus dem Frühmittelalter ist jetzt erst im Rahmen einer Gerichtsverhandlung wegen Körperverletzung vor dem Amtsgericht bekannt geworden. Die angezeigte handgreifliche Auseinandersetzung zwischen zwei Männern am Rande des Freitagsgebets in der Al-Nur-Moschee in der Eduard-Friedrich-Straße war offenbar Ausdruck dieses Konflikts zwischen radikalen und liberalen Moslems.

Über Jahre gab es in der Kreisstadt zwei Moscheen: Die Mevlana Moschee des deutsch-türkischen Kulturzentrums an der Zadarstraße und der Mescid-i Aksa Camii des türkisch-islamischen Vereins Ditib an der Augsburger Straße. Im September 2016 eröffnete am Rande der Buchenau ein drittes muslimisches Gotteshaus. Zu ihm gehört die Al-Nur-Moschee. Treibende Kraft der Gründung war der in Palästina geborene Hausarzt Husam Salama, der in Tel Aviv studiert hat und in der Buchenau eine Praxis betreibt. Für ihn steht Integration an vorderster Stelle, weshalb er etwa bei der Hausaufgabenbetreuung mit den christlichen Kirchengemeinden kooperiert. Auch Flüchtlingen aus afrikanischen und arabischen Ländern bietet er eine Anlaufstelle.

Im Zuge einer Verhandlung vor dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck ist nun ans Licht gekommen, dass radikale Moslems die Führung in dem jüngsten Brucker muslimischen Kulturverein an sich reißen wollten. Das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz bestätigt, dass "Akteure, die dem salafistischen Spektrum zuzurechnen sind, tragende ideologische Funktionen innerhalb des Vereins ausübten". Die Personen seien davor in einem als salafistisch eingestuften Münchner Verein aktiv gewesen. "Das Engagement der betreffenden Personen war jedoch nur von kurzer Dauer", erklärt ein Sprecher.

Aktuell gebe es keine Erkenntnisse über salafistische Bestrebungen, die über Organisationen verbreitet werden, in Fürstenfeldbruck. Salafisten gelten als verfassungsfeindlich, einzelne Organisationen sind bereits verboten worden. Die Zahl ihrer Anhänger in Deutschland steigt rasch (von 7000 in 2014 auf 10 100 im Vorjahr).

"Ich glaube nicht, dass es Salafisten waren. Aber ich weiß nichts Genaues", sagt ein Kenner der Al-Nur-Moschee, der früher dort aktiv war und nicht namentlich genannt werden will, auf Nachfrage der SZ. Es sei aber offensichtlich gewesen, dass sie "eine etwas radikalere Gangart" einschlagen wollten. Die Zusammenarbeit mit christlichen Kirchen etwa habe diese Gruppierung radikal abgelehnt.

Zum Streit kam es am Rande des Freitagsgebets

Auch im Gerichtssaal weist der Angeklagte, dem ein Schlag mit einem 80 Zentimeter langen Schuhlöffel und einige Tritte vorgeworfen werden, von Anfang an auf den hinter der Auseinandersetzung steckenden Konflikt hin. Der Mittdreißiger mit längeren, schwarzen Locken und eher wild wachsendem Vollbart versichert, keine radikalen Ansichten zu vertreten. "Ich passe mich an, ich bin ein Vorbild für Integration in Fürstenfeldbruck", beteuert er und verweist auf seine Tätigkeit als Fußballtrainer in einem örtlichen Sportverein.

Zum Geschehen am 29. September 2017 am Rande des Freitagsgebetes, zu dem rund hundert Menschen in die Moschee gekommen waren, erklärt er, ein Radikaler habe ihn verbal provoziert. "Wir haben gewonnen", habe dieser in Anspielung auf den internen Machtkampf immer wieder gesagt. Als Morddrohungen gegen ihn folgten, habe er die Polizei gerufen. Freilich ohne selbst handgreiflich zu werden. Auf Nachfrage verneint der Maisacher, den Gegner mit Schuhlöffel oder Füßen traktiert zu haben.

Wie nicht anders zu erwarten, hört sich die Schilderung des Geschädigten - eines konvertierten Deutschen mit akkurat geschnittenem Vollbart und aalglattem Auftreten - ganz anders an. Den Fragen des Vorsitzenden Richters Johann Steigmayer weicht er geschickt aus. Er benutzt Formulierungen wie "meiner Erinnerung nach", wenn der Richter versucht, eine eindeutige Antwort aus ihm herauszubekommen. Und er bestreitet jegliche Art der Provokation: "Der Angeklagte hatte überhaupt keinen Grund, mich anzugreifen."

Darüber hinaus schildert der Zeuge, der einen geschmackvollen Anzug trägt und als Nebenkläger in eigener Sache auftritt, vom Angeklagten getreten und geschlagen worden zu sein. Der Vorsitzende moniert jedoch, dass der Zeuge die Situation bei der Polizei "ganz anders als heute" berichtet habe. Er entscheidet, weitere Augenzeugen zu suchen. Der Prozess dauert an.

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Quelle:
SZ vom 30.08.2018
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