Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:"Ein schwarzer Tag für die Brucker"

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Viele Politiker reagieren entsetzt auf die Rodung im Rothschwaiger Forst. Manche wollen zumindest verhindern, dass die gesamte vorgesehene Fläche des Waldes abgeholzt wird.

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Von einem "schwarzen Tag für die Brucker, ihren Klimawald und ein wichtiges Naherholungsgebiet der Stadt" spricht CSU-Chef Andreas Lohde, von einem "traurigen Tag für den Umwelt- und Naturschutz in Fürstenfeldbruck" sprechen die Grünen-Fraktionschefs Gina Merkl und Jan Halbauer. Und SPD-Stadtrat Mirko Pötzsch meint, ein Unternehmen zeige sein "wahres Gesicht" und offenbare "maximale Profitsucht". Mit unverhohlenem Entsetzen reagieren viele Stadträte auf die überraschende Nachricht vom Dienstag, dass am Nordrand des Rothschwaiger Forsts bereits großflächig Bäume gefällt werden. Für Brucker Bürger kommen die Arbeiten, mit denen der Boden bereitet wird für den Kiesabbau, ebenso überraschend wie für viele Politiker. Die Reaktionen in den sozialen Medien reichen von Entsetzen bis zu Schicksalsergebenheit. Moderatere und teils selbstkritische Töne kommen von Markus Droth (Freie Wähler). Die beiden Eigentümer des Kieswerks weisen die Vorwürfe zurück und pochen auf ihr Recht.

Weder Stadt noch Landkreis haben denn auch eine juristische Handhabe, um die Rodungen in südliche Richtung zu untersagen. Im Flächennutzungsplan ist der Waldstreifen als "Konzentrationsfläche für Kiesabbau" ausgewiesen. Und der Regionalplan klassifiziert den Bereich als "Vorrangfläche für den Kies- und Sandabbau". Man sei auf den guten Willen von Seiten des Unternehmens angewiesen, hatte schon im September 2020 Landrat Thomas Karmasin (CSU) gesagt. Bei der damaligen Anhörung hatten sich die beiden Geschäftsführer von KRO noch zuversichtlich gezeigt, dass der Kiesabbau auf Alternativflächen Richtung B471verlegt werden kann.

Die Stadt versuchte unter Leitung des Oberbürgermeisters Erich Raff (CSU), die Grundbesitzer des östlichen Areals zu Verkauf oder Verpachtung zu bewegen. Weil dies als aussichtsreich galt, hatte auf Vermittlung von Christian Götz (BBV) auch der Eigentümer eines knapp 20 Meter breiten Waldstreifens, der mitten in der bestehenden Kiesgrube lag, doch noch seine Zustimmung zum Abbaggern gegeben. Damit hatten Unternehmen und Stadt Zeit gewonnen. Wohl auch deshalb geißelt Götz die Vorgehensweise als "absolute Frechheit". Die Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern seien "noch am Laufen, KRO hatte etwas völlig anderes zugesagt!" Aus städtischer Sicht seien die Grundstücksverhandlungen gut gelaufen", schreibt auch Raff am Mittwoch auf Nachfrage der SZ. "Und es konnten auch Grundstücke erworben werden." Von allen Eigentümern der in Betracht kommenden Abbauflächen sei signalisiert worden, dass sie ihr Grundstück für den Kiesabbau zur Verfügung stellen würden. "Ein Abbau auf den östlichen Flächen wäre nach unserem Kenntnisstand wirtschaftlich gesehen wohl möglich gewesen", so der Oberbürgermeister. Wegen der erforderlichen Änderungen des Regionalplanes stehe die Stadt mit dem Planungsverband in Kontakt. Ebenso beim Thema Hügelgräber mit dem Amt für Denkmalschutz - es deutete sich an, dass einige Flächen für den Kiesabbau ausscheiden würden.

Nach SZ-Informationen soll in den zurückliegenden Monaten eine weitere Variante gehandelt worden sein: Wäre es möglich, die 16 Hektar nebst Abbaurechten den Staatsforsten abzukaufen, die dann KRO entschädigen müssten? Das hätte wohl knapp fünf Millionen Euro gekostet. Die Idee soll aber mit Blick auf städtische Verschuldung und ein mögliches Veto der Kommunalaufsicht verworfen worden sein.

Nun also stehen die Politiker vor einem Scherbenhaufen. Lohde findet das alles "unfassbar", hat den Kampf aber noch nicht ganz verloren gegeben: "Die Alternativflächen auf den Äckern nebenan können mit einer Regionalplanänderung mindestens die Hälfte der gesamten Rodungsfläche kompensieren. Wenn Absprachen gültig wären und blieben, würde es sich rentieren, zumindest noch für die Hälfte des Waldes zu kämpfen." Auch Halbauer wirft dem Unternehmen vor, nicht nochmal das Gespräch mit den Fraktionen und der Stadtspitze gesucht zu haben und nun ökologisch wertvollen Wald zu opfern. Und das in einem der waldärmsten Landkreise Bayerns. Nun müsse zumindest dringend die Aufforstung und Rekultivierung der alten Kiesgrube eingefordert werden, "um nicht über Jahrzehnte eine trostlose Grube anschauen zu müssen".

Alexa Zierl (ÖDP) sieht in dem Fall ein Beispiel für die Vernichtung der Lebensgrundlagen durch den Menschen. Ein "absolut schwarzer Tag" sei das, so Zierl. "Ich bin absolut entsetzt, mein Grundvertrauen als Stadträtin in die Zusammenarbeit mit Unternehmen ist extrem erschüttert. Wenn ich gewusst hätte, dass unser Vertrauen so mit Füßen getreten wird, hätten wir gleich zu Beginn ganz andere Methoden einsetzen können, um den Wald zu retten." Auch sie will nicht aufgeben: "Noch ist nicht alles verloren", jetzt gelte es mit vollem Einsatz, den noch nicht gerodeten Wald zu retten.

Droth kreidet dem Unternehmen zwar die schlechte Kommunikation an, verweist aber auf den Rechtsanspruch der Fürstenfeldbrucker Firma. Er betont, dass der Stadtrat vor 15 Jahren mehrheitlich einen Abbau in südliche Richtung befürwortet hatte, um Abstand zum Stadtrand zu wahren. Auch er habe "zähneknirschend" zugestimmt. Der bayerischen CSU lastet Droth grundlegende Defizite der Landes- und Regionalplanung an, in denen er eine der Ursachen für die Probleme in dicht besiedelten Gebieten sieht.

Die KRO-Geschäftsführer verwahrten sich gegen "reißerische Aussagen" und streichen ihrer Verdienste um Wiederaufforstung und die Verwendung von Recyclingmaterial heraus. Die gefällten Bäume würden "komplett und sinnvoll verwertet", die Grube nach dem Kiesabbau verfüllt, hochwertig rekultiviert und wieder aufgeforstet.

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