Süddeutsche Zeitung

Puchheim:Die täglichen Stolpersteine für Gehbehinderte

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Die Veranstaltung "Mobilität für alle" klärt über zum Teil missliche Straßenverhältnisse in Puchheim auf

Von Karl-Wilhelm Götte, Puchheim

Eine ältere Frau bringt ihr Problem sofort auf den Punkt: "Der Arzt ist im ersten Stock und ich komme mit meinem Rollator da nicht hoch." "Mobilität für alle", so der Titel einer Veranstaltung des Puchheimer Behindertenbeirats, ist besonders für Geh- oder Sehbehinderte in Puchheim sicherlich ein Problem. Die Mitglieder des Beirates und Stadträte sind zusammen mit Verena Weyland, der Ansprechpartnerin bei der Stadt, viele Straßen in Puchheim-Bahnhof und Puchheim-Ort abgegangen. Hindernisse und Missstände wurden vermerkt und "der Bauhof bekommt dann einen Katalog von uns, um Abhilfe zu schaffen", erläutert Richard Ullmann, der Vorsitzende des Behindertenbeirates.

Das klappt offenbar ganz gut. 2490 Menschen mit Behinderung leben, wie Weyland in ihrem Vortrag ausführte, in Puchheim. 1685 von ihnen haben eine Behinderung von mindestens 50 Prozent; 722 haben eine eingeschränkte Mobilität. "Das zeigt, dass Barrierefreiheit notwendig ist", hatte Ullmann schon in seiner Einführung vor den etwa 40 Besuchern im Versammlungsraum des Wohnparks Roggenstein angemerkt. Probleme mit krummen und schiefen Kopfsteinpflaster gibt es vor allem auch an der Lochhauser Straße, der Puchheimer Einkaufsstraße und am Friedhof Schopflach. Schwarz-gelbe Sicherheitsstreifen an Stufen fehlen in der Regel. Jetzt gibt sie vereinzelt, so in Turnhallen und am Rathaus. Ullmann sprach auch von Mülltonnen oder anderen Hindernissen wie zu hohen Bordsteinen.

Zweiter Bürgermeister Rainer Zöller (CSU) sprach das Thema barrierefreier S-Bahnhof an, bei dem sich die Verhandlungen mit der Bahn in Sachen des Außenbahnsteig sehr in die Länge ziehen würden. Der Außenbahnsteig an der Nordseite würde den Interessen der Puchheimer Menschen mit Mobilitätproblemen sehr entgegenkommen. "Da sollten wir an einem Strang ziehen", forderte Zöller die Anwesenden auf, wieder mal "eine Aktion zu starten", um mehr Tempo in der Angelegenheit zu erreichen. "Wir müssen kleine Nadelstiche setzen", so Zöller, "das ist wichtig." Die Bahn schiebe die Sache zu sehr auf die lange Bank. Er berichtete auch, dass der Neubau des Puchheimer Schwimmbads zwei Jahre dauern werde und damit noch nicht begonnen wurde. "Wir möchten in die Detailplanungen miteinbezogen werden", bestand Beiratschef Ullmann auf Beteiligung seiner Interessenvertretung.

Sehr aufschlussreich für die vornehmlich älteren Besucher war der sehr informative Vortrag von Uwe Bönisch vom gleichnamigen Puchheimer Sanitätshaus. "Wie komme ich aus dem Haus?" war zunächst sein Thema, also Barrierefreiheit im öffentlichen Raum. Er erläuterte die Zuschussmöglichkeiten der Kranken- und Pflegekasse für Rollatoren und diversen Arten von Rollstühlen. "Bei der individuellen Hilfsmittelversorgung müssen Sie mit den Kassen verhandeln", empfahl Bönisch. Die Rechtslage für Treppenlifte in Wohnhäusern hätte sich geändert.

"Treppenlifte müssen in Mehrparteienhäusern geduldet werden", klärte er auf, "das ist höchstrichterlich festgestellt worden". Die Zuschüsse seien erheblich. Schon bei einem Pflegegrad eins von fünfen beträgt er 4000 Euro von der Pflegekasse. "Haben beide Ehepartner diesen Pflegegrad zahlt die Kasse sogar 8000 Euro", so der Chef des Sanitätshauses. Auch das Land Bayern unterstütze beim Einbau die Betroffenen mit bis zu 10 000 Euro, wenn diese bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschreiten. Bönisch teilte mit, dass sein Geschäft, wie andere auch am Alois-Harbeck-Platz, die Kündigung zum Juli 2020 erhalten habe. Die Suche nach einem neuen Standort in Puchheim sei noch nicht erfolgreich gewesen. "Wir werden aber in der Nähe etwas finden", sagte Bönisch, "90 Prozent unserer Arbeit sind sowieso Hausbesuche"

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SZ vom 18.09.2019
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