Süddeutsche Zeitung

Puchheim:"Bei Bohrungen ist bisher nichts passiert"

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Der Geologe Ferdinand Flechtner schätzt die Gefahr von Erdbeben für das Puchheimer Geothermieprojekt als gering ein

Von Peter Bierl, Puchheim

In zwei Monaten befinden die Puchheimer per Bürgerentscheid über die Geothermie. Während Befürworter darin einen Beitrag zu Energiewende und Klimaschutz sehen, fürchten Gegner, dass es zu Erdbeben und Schäden an Gebäuden kommt. Ferdinand Flechtner von der Geothermie-Allianz Bayern schätzt das Risiko von Schäden in Puchheim als gering ein. Der Geologe räumt jedoch ein, dass durch einen nassen Moorboden Beben verstärkt werden könnten und hält Bodenuntersuchungen für sinnvoll. An diesem Mittwoch, 16. Mai, diskutieren Befürworter und Kritiker an einem Runden Tisch im Puchheimer Rathaus über das Geothermie-Projekt, Beginn ist um 18.30 Uhr.

SZ: Wie groß ist die Gefahr eines Erdbebens durch den Betrieb einer tiefengeothermischen Anlage?

Flechtner: Bei Bohrungen ist bisher nichts passiert, aber es gab Erschütterungen beim Betrieb. Bei 21 Anlagen in Bayern ereigneten sich bei zwei Anlagen kleine Beben. Der Großteil der Ereignisse war nicht spürbar - die Magnitude liegt hier deutlich unter zwei. In Unterhaching gab es fünf Ereignisse mit einer Magnitude von mehr als zwei, in Poing waren es zwei. Ob es zu Erschütterungen kommt, hängt von der Spannung sowie der Orientierung der Brüche im Untergrund ab und auch wohin gebohrt wird. Zu Puchheim kann ich diesbezüglich leider nichts sagen, weil mir die Informationen fehlen.

Und wie sieht es bei der Reinjektion des Wassers in die Tiefe aus?

Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit eines Bebens an der Reinjektionsbohrung höher als auf der Entnahmeseite. Das abgekühlte Wasser kann Störungsverheilungen im Untergrund lösen. Diese Störungen könnten dann bei erhöhtem Porendruck leichter reaktiviert werden. Erschütterungen sind bisher nur an den Reinjektionsbohrungen registriert worden. Die Aussage auf einer Veranstaltung der Bürgerinitiative, dass das Wasser unter hohem Druck von 100 Bar in die Tiefe gepresst werden würde, ist aber falsch. Das Wasser wird bei den meisten Anlagen in Bayern nicht in den Boden reingepresst, sondern es fließt frei zurück. Der Druck kann dann bei etwa zehn Bar liegen.

Ausschlaggebend ist ja, ob Beben zu Schäden führen?

Die Frage ist, was von der Energie eines Bruchs im Untergrund an der Oberfläche ankommt, das heißt wie schnell sich der Boden bewegt. Die Gegner in Puchheim haben sicher Recht, wenn sie auf den Moorboden und das hochstehende Grundwasser verweisen. Dieser kann unter Umständen die Druckwelle an der Oberfläche verstärken. Aufgrund der DIN-Normen sind aber alle neueren Gebäude in Deutschland so ausgelegt, dass sie eine maximale Bodenschwinggeschwindigkeit von fünf Millimeter pro Sekunden aushalten sollten, ohne dass es zu Schäden kommt. Bei denkmalgeschützten Gebäuden liegt der Grenzwert niedriger - bei drei Millimeter pro Sekunde. In Poing wurden maximal 1,6 Millimeter pro Sekunde gemessen. Es gibt bestimmt viele existierende Baugrundgutachten in Puchheim, die man verwenden könnte, um die kleinräumigen Untergrundverhältnisse zu klären, falls dies nicht bereits gemacht wurde.

Ein weiterer Vorwurf lautet, bei der Bohrung würden Chemikalien verwendet, die das Trinkwasser gefährden?

Man braucht eine Bohrspülung, um den Meißel zu kühlen, das Bohrloch stabil zu halten und Gesteinsbrocken nach oben zu spülen. Die Spülung besteht zu etwa 95 Prozent aus Wasser und Ton, dazu kommt Schwerspat, ein Mineral, um das Gewicht zu erhöhen, sowie Polymere, um die Spülung temperaturbeständig zu machen und an den Chemismus im Untergrund anzupassen. Jeder Hersteller verwendet andere Mischungen, aber diese werden vom Landesamt für Umwelt in einem eigenen Verfahren geprüft, bevor die Bohrgenehmigung erteilt wird.

Sie schließen also eine Gefahr für das Trinkwasser aus?

Ja. Das Trinkwasser kommt in Puchheim laut Amperverband aus drei Flachbohrungen bis 25 Meter und vier Tiefbrunnen bis 260 Meter Tiefe. Erstens liegt der Bohrplatz außerhalb des Trinkwasserschutzgebietes. Zweitens ist die Fließrichtung des Grundwassers am Bohrplatz weg von den Tiefbrunnen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass es zu einer Verschmutzung kommen sollte, würde diese nicht bei den Trinkwasserbrunnen ankommen. Und drittens wird eine Verunreinigung durch einzementierte Stahlrohre verhindert, die die Grundwasserleiter abdichten.

Als weiterer Aspekt ist die Effektivität einer solchen Anlage anzusehen. Der Wirkungsgrad der Geothermie ist ja nicht gerade umwerfend.

Bei Strom sind es zwischen sieben und zehn Prozent, je heißer das Wasser ist, desto besser. Bei der Wärme erreicht man zwischen 40 und 45 Prozent. Entscheidend ist, dass man durch die Fernwärmenetze nicht mehr Energie verwerten kann. Angenommen die Temperatur im Vorlauf beträgt 90 Grad und im Netz sind Verbraucher, die relativ heißes Wasser für den Betrieb ihrer Installationen brauchen, dann kann das Wasser im Netz nur bis auf diese Temperatur abgekühlt und genutzt werden. In der Regel liegt bei älteren Gebäuden die Temperatur bei 60 Grad. Wenn man Abnehmer für die Temperaturen unter 60 Grad findet, so wie neuere Niedrigtemperatur-Fernwärmenetze, Gewächshäuser für Gemüse oder ein Schwimmbad, dann kann man den Wirkungsgrad auf 60 bis 70 Prozent erhöhen.

Damit wären wir aber wieder bei dem Problem, dass zurückgeführtes, kühleres Wasser Störungen in der Tiefe auslösen kann.

Der Effekt ist im Einzelfall zu bewerten. Im Zweifelsfall muss man sich überlegen ob man das Wasser nicht so stark abkühlt.

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Quelle:
SZ vom 16.05.2018
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