Süddeutsche Zeitung

Mammendorf:Kaum Interesse an bäuerlichen Themen

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Die Landwirte im Landkreis leiden unter Flächenversiegelung und Bürokratie. Was sagen die Landtagskandidaten dazu? Das wollen überraschend wenige Menschen wissen. Ein Beleg für die Politikverdrossenheit?

Von Enna Kelch, Mammendorf

Im Bürgerhaus geht es am Sonntag ruhig zu. Ab halb zehn füllt sich der große Festsaal nur langsam, vor allem mit Mitgliedern des Bauernverbandes aus den Kreisverbänden Fürstenfeldbruck und Landsberg am Lech. Sie wollen den sechs Landtagskandidaten aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck-Ost auf den Zahn fühlen. Vertreten sind FDP, SPD, Grüne, Freie Wähler, CSU und AfD. Es geht um bäuerliche Themen. Der Einladung zu Podiumsdiskussion und Frühschoppen sind weniger Besucher gefolgt als erwartet. "Wir haben für 130 Menschen Weißwürste bestellt", sagt Matthias Heitmayr, Kreisobmann in Fürstenfeldbruck. Gegen 10 Uhr haben sich an den langen Tischen ungefähr 50 Menschen eingefunden.

"Ich finde es schade, dass so wenige gekommen sind. Das hängt bestimmt mit der Politikverdrossenheit zusammen, die unter den Bauern groß ist", so Heitmayr, der für diese Aussage Applaus erntet.

Vor den langen Tischen stehen die sechs Kandidaten an weiß gedeckten Stehtischen. Bevor sie befragt werden können, befassen sich die Politiker mit drei Themen. Von der Zukunft der Nutztierhaltung bis hin zum Ziel von 30 Prozent ökologischem Anbau reicht das Spektrum. Dabei offenbaren sich durchaus unterschiedliche Sichtweisen.

Fitnessarmbänder im Kuhstall? Bode setzt auf Digitalisierung

"Wie sehen Sie die Zukunft der Nutztierhaltung und deren Planungssicherheit für Investitionen in Bayern?" fragt Moderator Stefan Meitinger, Referent für Agrarpolitik und Parlamentsarbeit beim Bayerischen Bauernverband. Landwirtschaftsbetriebe stehen vor großen Herausforderungen - wie Platzbedarf und Verschärfung des internationalen Wettbewerbs. Ulrich Bode (FDP) setzt auf Digitalisierung. Der gelernte Informatiker wirbt für Fitnessarmbänder, mit denen sich das Wohlbefinden der Tiere messen lasse. Wie der Landwirt die Gesundheit seines Bestands gewährleiste, sollte Bode zufolge ihm selbst überlassen bleiben. Um die Nutztierhaltung zu erleichtern, will er "bürokratische Detailbestimmungen" abschaffen. Schreinermeister Andreas Birzele (Grüne) sieht die Zukunft in der Kombihaltung statt in der Anbindehaltung. Dafür bedarf es eines Zugangs zu einer offenen Weide. Weil so eine Umstellung viel Geld kostet, fordert Birzele eine Förderung vom Land.

Dann geht es um die Flächenversiegelung. Wo Straßen, Häuser oder Industrieanlagen entstehen, verschwinden immer auch große Acker- oder Wiesenflächen unter Beton, Asphalt oder Pflastersteinen. "Der Boden ist ein nicht vermehrbares Gut", stellt Daniel Liebetruth (SPD) fest. Dem Lehrer ist es wichtig, dass die Wertsteigerung des Bodens nicht Aktionären zugutekommt, sondern den Bauern. Dazu müsse die Bezahlbarkeit des Bodenpreises und der Pacht gewährleistet werden. Außerdem stimmt er seinem Mitstreiter Bode zu, dass die Flächen eher in die Höhe anstatt in die Breite bebaut werden sollten. "Innenentwicklung vor Außenentwicklung", sagt er. Den Flächenverbrauch zu senken, "damit Bauernland in Bauernhand bleiben kann", das will auch der gelernte Landwirt Hans Friedl (Freie Wähler). "Fünf Hektar, das habe ich mir auch für diese Legislaturperiode auf die Fahne geschrieben", sagt er.

Ist die 30-Prozent-Zielmarke für die Öko-Landwirtschaft realistisch?

Dann geht es um das Ziel der Bundesregierung, den ökologischen Landbau zum Leitbild für eine nachhaltige Landwirtschaft zu machen. Demnach soll die Öko-Landbaufläche bis zum Jahr 2030 auf 30 Prozent ausgeweitet werden. Hier gehen die Meinungen auseinander. Die Kandidaten der FDP, und der AfD lehnen das 30-Prozent-Ziel rundweg ab. "Ich will keine Verbote, die Landwirte und Verbraucher sollen selbst entscheiden", erklärt Peter Banholzer, Landtagskandidat der AfD. Der Vertreter der SPD steht hinter dem Ziel: Liebetruth will Anreize über Öko-Modellregionen setzen. "Ich möchte Produktion und Absatz zusammenbringen", sagt der Lehrer. Und die Schulen sollen eingebunden werden. Man könne zum Beispiel regionales Essen in den Kantinen verkaufen. Für den Kandidaten der Grünen mutet das Ziel utopisch an: "Wir werden die 30 Prozent bis 2030 definitiv nicht erreichen." Er plädiert dafür, den Prozentsatz abzusenken. "Da müssen wir fair sein."

Könnte ein Schulfach Alltagskompetenzen vermitteln?

Das Thema Schule spielt auch im Verlauf der Fragerunde eine tragende Rolle. Monika Strauß-Rehberg, die einen konventionellen Milchviehbetrieb und Erlebnisbauernhof in Maisach leitet, möchte sich dafür einsetzen, dass die Bildung zur regionalen Landwirtschaft verstärkt wird. Das einst geplante Schulfach "Alltagskompetenz" sieht sie als geeignet an.

Zwar sind sich die Kandidaten über die grundlegende Rolle der Schulen weitgehend einig. Benjamin Miskowitsch (CSU) verweist aber auf den Lehrermangel. "Es sind einfach zu viele Forderungen an die Schule. Die Verantwortung liegt auch bei den Eltern." Kreisbäuerin Karin Sepp hält dagegen: "Wenn die Eltern es selbst nicht gelernt haben, wie sollen sie es dann vermitteln?" Für die Kandidaten der Grünen und der AfD muss es kein Schulfach sein. Ein mehrtägiges Praktikum wäre schon ein Fortschritt.

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