Süddeutsche Zeitung

Olching:Verärgert über autofreien Samstag

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Olchinger CSU attackiert Grüne und bezeichnet die Aktion im August als "Anmaßung"

Von Karl-Wilhelm Götte, Olching

Den fast autofreien Samstag in der Olchinger Hauptstraße im August betrachtet die Olchinger CSU auch im Nachgang noch als groben Unfug. CSU-Fraktionschef Tomas Bauer kommt im Autourlaub viel herum. Im Sommer war er in Frankreich und hat sich den Fahrradverkehr in einigen Städten, darunter in Lyon, angeschaut. "Rot-grüne Mehrheiten in französischen Großstädten haben Boulevards amputiert", formuliert der langjährige CSU-Stadtrat gewohnt drastisch, und hätten "Autospuren blockiert". Nach Bauers Augenschein fahren dort aber viel zu wenig Radfahrer, so dass die Autoblockade keinen Sinn mache.

Seine Frankreich-Beobachtungen überträgt nun Bauer auf Olching mit klarer Zielrichtung und heftigen ideologischen Seitenhieben auf die Grünen, die das autofreie Projekt in der Hauptstraße angestoßen haben: "Mal eben einen autofreien Samstag anzuordnen, um Menschen zu belehren, dass man radfahren kann, ist eine Anmaßung." Wenn Bauer einmal in Fahrt ist, kennt sein Hang zur Polemik kaum Grenzen: "Verkehr nur zu verbieten, um Bürger zu angeblich besseren Menschen/Radfahrern zu erziehen, ist vermessen." Dann reicht er eine markante Belehrung nach 42 Jahren Stadtratstätigkeit an alle Ratskolleginnen und -kollegen mit eigener philosophischer Note weiter: "Es ist nicht die Aufgabe des Stadtrates, die Menschen zu bessern, sondern die Verhältnisse." CSU-Stadträtin Maria Hartl springt Bauer argumentativ zur Seite und wirft den Grünen in Sachen autofreier Samstag "Kosmetik" vor.

Die heftigen CSU-Verbalgrätschen Bauers und Hartls bleiben bei den attackierten Grünen nicht ohne Erwiderung. "Änderung von Verhältnissen?", legt Grünen-Stadtrat Michael Kircher los, "daran sind Bauer und Hartl überhaupt nicht interessiert. Das wollen sie ganz und gar nicht." Am Aktionstag sei besonders Maria Hartl auf der Hauptstraße "hin und her patrouilliert, um zu verhindern, was sie nicht wollte". Der Initiator des bisher einzigen autofreien Aktionstages ist sich sicher: "Sie wollen eindeutig nur ihre Wählerklientel bedienen." Das sei bei den Freien Wählern Olching (FWO) ganz ähnlich.

Kircher bewertet den Aktionstag als einen "Anfang" und lobt die "konstruktive und wohlwollende Arbeit der Stadtverwaltung" in diesem Zusammenhang. "Denn, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg", bekräftigt der Aktivist der Grünen. Das Argument der CSU mit der Umgehungsstraße, der Südwest-Umgehung, komme irgendwann die Fußgängerzone, betrachtet Kircher als bekanntes Ablenkungsmanöver. "Was wir brauchen, ist ein Stadtrat", sagt er, "der gerade einem kleinbürgerlichen Milieu hilft, aus den gewohnten Denkroutinen herauszufinden." Kircher will nicht glauben, wie die CSU behaupte, dass die Olchinger auch in den kommenden zehn Jahren mit dem Auto noch massenhaft in die Hauptstraße fahren wollen. In den nächsten sechs Jahren, also der laufenden Stadtratsperiode, möchte er einen Prozess in Gang bringen, "damit die Hauptstraße von einer reinen Auto-Park-Einkaufsstraße hin zu einem sozialen Begegnungsort und Mittelpunkt werden kann".

Kleinste Schnittmengen der Grünen mit der CSU könnte es jedoch geben, wenn es darum geht die Olchinger Straßen von Schlaglöchern und den Fahrradweg in den Amperauen von hineinwachsenden Büschen zu befreien, wie Bauer ("kein Fahrrad fährt auf Papier") fordert, und die Fahrradabstellflächen am Olchinger Bahnhof aufzurüsten. "Das erleichtert Radfahrern mehr", behauptet Bauer, "als in den Nebenstraßen durch scheinbaren Fahrradvorrang neue Gefahren für die Radfahrer heraufzubeschwören."

Dem stimmt Stadtrat Kircher sicherlich zu, aber ihm geht es um mehr, um Schritte in Richtung Verkehrswende. Hartl und Bauer empfiehlt er einen "ideologiefreien Blick" nach München, wo mit Fahrradstraßen-Pilotprojekten dieser Prozess bereits laufe.

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SZ vom 16.09.2020
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