Süddeutsche Zeitung

Olching:Reminiszenzen an die Achtziger

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Beim Amper-Slam-Wettbewerb kommt die Augsburger Band "Button Rouge" am besten an. Doch auch "Revive" aus Landsberg und "Downhill" aus Emmering bringen das Publikum in Olching zum Mitsingen.

Von Sonja Pawlowa, Olching

Fans aus der Umgegend und bis aus Niedersachsen erleben ein Live-Erlebnis wie in alten Zeiten. Es herrscht eine Stimmung aus gegenseitiger Unterstützung und wohlwollendem Respekt bei allen Beteiligten. Die Liebe zur Rock-Musik und eine totale Lebensbejahung schwingen durch den Saal. Zwar treten beim Finale des Amper Slam Band Battle 2022 überraschend nur drei Bands im Wettbewerb an. Drei von vier, wegen einer Krankheitsabsage. Dennoch kann das Publikum ein viertes Set genießen, da auch die Sieger 2020, "Untamed", während der Stimmauszählung ungezähmt entertainen.

Für den Auftakt liefert die Band "Revive" den passenden Titel mit "Wake up". Anfänglich halten sich die Zuhörer in einem ausgedehnten Abstand zur Bühne noch an der Bierflasche fest. Doch hinter den Holzsäulen wird ab der ersten Minute gewippt, getanzt und mitgesungen. Klassischer Rock mit klassischem Line up, das den sympathischen Landsbergern den zweiten Platz im Voting einbringt. Das Publikum singt beim Song "Like it" lauthals mit und als Happy Birthday-Chor weiter. Hannes, der Leadgitarrist, feiert nämlich Geburtstag. Ständchen, Dank und Schlussverbeugung. Dann noch Abbau, Umbau, nächster Act. Das geht ruckzuck, denn fast das ganze Equipment gehört dem Verein Amper Slam. Nur die Schlagzeugbecken und Instrumente bringen die Bands selbst mit.

Die Gruppe "Downhill" aus Emmering räumt auf mit kuscheligem Rumschunkeln an der Bar. Downhill bietet was fürs Auge und auch tiefe Töne aufs Ohr. Mit satanistischer Stimme und bayerischem Akzent erklärt Sänger Mörkl den Raub der Sambierinnen. Er sieht aus wie Ragnar aus der Serie Vikings und singt mit seiner "Schildmaid", der blonden, langhaarigen Schönheit Steffi im Zwiegesang. Das klingt nicht nur spannend wegen der unterschiedlichen Stimmlagen, glöckchenreiner Engelssopran trifft auf rauen Berserker. Auch das Frage-Antwort-Arrangement ist eher selten im Rock-Genre zu hören und macht wirklich Spaß. Hervorragende Gitarrensolos beeindrucken ebenso wie die körperliche Diversität der winzigen Schlagzeugerin und des riesenhaften Bassisten. Zum Gesamterlebnis zählt last not least die Interaktion mit dem Publikum. Sänger Markus steigt herab vom Bühnenolymp und fährt jedem Kameraobjektiv ins Gesicht. Derer gibt es viele, denn aus dem gedrehten Material erstellt das Team des Vereins Amper hochprofessionell geschnittene Videos und lädt sie auf den vereinseigenen Youtube-Kanal. Der Song "Paradise is Oversized" hat einen bedauerlichen Beigeschmack, denn leider schaffen es "Downhill" nicht ins paradiesische Walhalla der Sieger.

Als Sieger geht die Band "Button Rouge" aus dem Battle hervor. Geduldig lauscht die zahlreiche Fanschar der minutiösen Feinabstimmung von Monitoren und Mikros. Der Zusatz-Soundcheck mit dem Miniatur-Megaphon lohnt sich. Bemerkenswert sind die Reminiszenzen an die Eighties, was vom Publikum mit Pogo-Einlagen gewürdigt wird. Weniger glaubhaft kommt da der Song "Sex, Drugs and Rock'n'Roll" daher, zumal die Sängerin zeitgleich ihre nachhaltige neon-shiny Yoga-Trinkwasserflasche hervorholt. Dagegen erstklassig der Dialog mit den Fans. Gleich eingangs spricht die Sängerin aus, was eigentlich naheliegend ist: "Kommt alle mal einen Schritt näher. So können wir nicht arbeiten." Das bringt Schwung und Wärme in die Stube. Eingeheizt und powervoll kommt es vereinzelt sogar zu Headbanging. Obwohl die Auftrittszeit auch für "Button Rouge" beschränkt ist, tönen Zugabe-Rufe aus der Menge. Doch die Zeit der Stimmzettel ist gekommen.

Die Regeln sind nämlich so: In zwei Vorrunden treten jeweils vier Bands gegeneinander an. Je zwei scheiden aus. Die verbleibenden vier stehen im Finale, aus dem wiederum die Sieger-Band hervorgeht. Ein Punktesystem soll Chancengleichheit schaffen, denn nicht die bloße Anwesenheit der größten Fangemeinde soll den Ausschlag geben. Der Amper Slam ist nämlich ein reiner Publikumsentscheid. Während der Auszählung gibt es als Goodie die 2020-Gewinnerband "Untamed" aus Augsburg. Das Finale 2020 fand interessanterweise wegen der Lockdown-Pause erst im Mai 2022 statt. In der Zeit zwischen Vorrunde und Finale hatten sich Bands aufgelöst, so dass Nachrücker eine Chance bekamen.

Seit 2022 hat das Amper Slam Band Battle in Olching eine neue Heimat gefunden. Der Veranstalter Jan Seemüller plant für die Zukunft wieder ein Open Air. Daneben gibt es im September die Rocknacht und bald auch Open-Stage-Veranstaltungen. Das macht viel unbezahlte Arbeit, doch der Verein ist in diesem Jahr sogar gewachsen. Denn bei der Organisation gibt es viel zu lernen und Jan Seemüller ist ausgebildeter Veranstaltungstechniker mit Bühnenschein. Hier macht Engagement Spaß und bietet Erfahrungen in vielen Bereichen wie Social Media, Organisation und Technik. Neue Vereinsmitglieder und Bandbewerbungen aller Genres sind willkommen. Big Bands oder Singer Songwriter waren noch nie dabei. www.amperslam.de

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