Süddeutsche Zeitung

Mitten in Schöngeising:Fröhliches Immergrün

Lesezeit: 1 min

Ein Hausbesitzer verwandelt einer seiner Hecken in einen Smiley und verbindet so reale und digitale Welt

Von Erich C. Setzwein

Ein einziges Lächeln kann entwaffnend sein. Wer das schon erlebt hat, wird nachvollziehen können, wie ein und dasselbe lächelnde Antlitz regelmäßig Heiterkeit und Freude auslöst. Und dabei muss es nicht einmal ein Mensch sein, der dies auslöst. Heute erledigen das sogenannte Emojis. Denn seit Kurznachrichtendienste und soziale Medien den gesprochenen Dialog zwischen zwei Menschen verdrängt haben, muss ein Sender dem Empfänger zusätzlich zur getippten Nachricht durch ein "Emoticon" seinen aktuellen Seelenzustand mitteilen. Genügte vor dem Whatsapp-Zeitalter ein einfacher Smiley - am besten sichtbar als Anstecknadel an Jacke oder Umhängetasche - so müssen in der modernen Kommunikation vor allem junge Menschen ein ganzes Bilder-Alphabet dieser Gefühlszeichen beherrschen.

In Schöngeising hat ein Gartenbesitzer vor einiger Zeit zur Schere gegriffen und dem größten Buchs in seiner Hecke das Aussehen eines stets lächelnden Smileys verpasst. Zwei funkelnde Augen schauen verschmitzt aus dem grünen Bubikopf und blicken jeden an, der ihm auf der Brucker Straße entgegenfährt.

Dass es auch bei der täglichen Begegnung mit dem bleckenden Buchs nie langweilig wird und das Lächeln seine Wirkung hat, mag daran liegen, dass sich dieses Sinnbild eines fröhlichen Immergrüns ständig verändert. Je nach Tageszeit und Sonnenstand wird aus dem in Form geschnittenen Buchsgesicht - ähnlich wie im Pariser Louvre die Mona Lisa - zum Übermittler geheimnisvoller Botschaften. So kann es passieren, dass der Buchs im Vorbeifahren eine Grimasse zu ziehen scheint oder an einem anderen Tag seine böse Seite zeigt. Ein Schatten verleiht dem ins Blätterwerk geschnittenen Mund ein diabolisches Grinsen, manchmal ein spöttisches. Meistens aber grinst der grüne Kerl einfach nur frech über den Gartenzaun und zaubert dabei seinem Gegenüber ein Lächeln ins Gesicht. Ganz ohne Whatsapp.

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Quelle:
SZ vom 21.07.2017
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