Süddeutsche Zeitung

Mitten in Olching:Mit Corona für die CSU punkten

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Markus Söder fährt mit seiner Corona-Strategie hohe Zustimmungswerte ein. Davon wollte offenbar Tomas Bauer im Olchinger Stadtrat profitieren

Glosse von Karl-Wilhelm Götte

Tomas Bauer, 73, ist Ewigkeits-Gemeinde- und Stadtrat in Olching. Der langjährige CSU-Fraktionsvorsitzende sieht sich als politischer Stratege, um seine Partei voranzubringen. Bisher hat das nicht so recht geklappt, weil am amtierenden SPD-Bürgermeister Andreas Magg seit zwölf Jahren niemand aus der CSU vorbeikommt. Daran wird sich bis 2026 erst einmal nichts ändern. Für den Strategen Bauer ist das frustrierend. Er hat mit Corona nun ein Thema ausgemacht, mit dem er im Schlepptau von Söder und Landrat Karmasin versucht, auch für die Olchinger CSU zu punkten.

Als er im Finale der langen Stadtratssitzung am Donnerstag nach 21 Uhr zu einem 15-minütigen Corona-Grundsatzreferat anhob, rutschten viele Stadträte im großen Rechteck der Turnhalle an der Heckenstraße unruhig auf ihren Stühlen hin und her. Freie Wähler-Stadtrat Alois Waltl sagte hörbar genervt zu seinem Kollegen Josef Gigl: "Jetzt gehen wir." Auch Sitzungsleiter Magg nahm die Vorlesung Bauers achselzuckend zur Kenntnis, wollte ihn aber nicht unterbrechen. Bauer ging auf die konkrete Lage in Olching kaum ein. Die hatte Magg, was die Situation mit Wechselbetrieb, zum Beispiel in den Kitas betrifft, zuvor als "herausfordernd" beschrieben; besonders auch hinsichtlich des verfügbaren Personals in den städtischen Einrichtungen. Auch Elternproteste muss der Bürgermeister aushalten. Bauer sah sich veranlasst, so ziemlich alle Argumente erneut vorzutragen, die jeder Anwesende aus dem Fernsehen von den CSU-Parteioberen schon kannte. "Die Maßnahmen des Freistaates und des Landrates sind erforderlich und angemessen", zog sich durch Bauers Referat. Abweichungen sind nicht zu tolerieren.

Den Einwand von FDP-Stadtrat Andreas Teichmann, dass Landrat Karmasin im Gegensatz zu anderen bayerischen Landkreisen seinen Entscheidungsspielraum nicht genutzt habe und zum Beispiel die Kita- und Schuleltern nicht mitgenommen habe, ließ er nicht gelten. Eine heftige Attacke ritt Bauer gegen Ärzte, die angeblich "pauschal Maskenbefreiungen" erteilten. "Wenn nicht kontrolliert wird, werden mehr Leute sterben", sagte er. Offenbar hält er nichts von der Eigenverantwortung der Bürger. So eloquent Olchings CSU-Frontmann seine Wahrheit auch vortrug, er verwechselte wieder einmal die politische Bühne: Der Stadtrat ist schließlich nicht der Landtag.

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Quelle:
SZ vom 31.10.2020
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