Bundespolitik: Neue Rollen angenommen

Nach einem Jahr Ampelkoalition sehen sich die SPD-Abgeordneten Carmen Wegge und Michael Schrodi gestärkt, der CSU-Bundesabgeordnete Michael Kießling hat sich in der Opposition eingerichtet

Es habe einige Zeit gedauert, sagt der CSU-Bundestagsabgeordnete Michael Kießling, bis er sich in seiner neuen Rolle zurechtgefunden habe. "Oppositionsarbeit ist ein wenig anders", zieht er ein Jahr nach der Ablösung der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD durch die Ampelregierung Bilanz. Auch wenn die CSU nicht mehr mitregiert, so versucht sie dennoch weiter Einfluss zu nehmen. "Ich möchte, dass wir in der Opposition etwas bewegen", sagt der im Wahlkreis Landsberg am Lech direkt gewählte Abgeordnete, der auch für die Stadt Germering zuständig ist. Und wo waren das Schnittpunkte, wo es um mehr als kontrollieren und kritisieren ging? Das Bürgergeld, nennt Kießling, für dessen Gelingen es einen Vermittlungsausschuss brauchte, auch die Staatshilfen in der Pandemie und Energiekrise und nicht zuletzt das Bundeswehrvermögen, das SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Zeitenwende-Rede angekündigt hat. Bei solchen Top-Themen und noch einigen mehr, die in der Öffentlichkeit weniger wahrgenommen werden, kommt die CDU/CSU-Opposition ins Spiel. Darauf hat sich Kießling nun ausgerichtet.

Carmen Wegge, die 2021 im selben Wahlkreis wie Kießling angetreten und über die SPD-Liste zum ersten Mal in den Bundestag gekommen war, hat recht schnell erlebt, was sie als Abgeordnete bewegen und mitentscheiden kann. Weil sie dem stärksten Koalitionspartner dieser Regierung angehört. Die Streichung des Paragrafen 219a etwa, der unter Strafe stellte, wenn für den Abbruch einer Schwangerschaft geworben wird. Seit Mitte des vergangenen Jahres dürfen nun Ärztinnen und Ärzte öffentlich darüber informieren, dass und mit welcher Methode sie Abtreibungen durchführen. Schwangere, so beabsichtigte die Regierung, sollen so einfacher als bisher Ärzte für eine Abtreibung finden können. Ein Reizthema für die Opposition, für Wegge aber nicht, ist die Legalisierung von Cannabis. Dafür ein Gesetz auf den Weg zu bringen, macht sich die Politikerin stark, sagt aber selbst, dass man da noch am Anfang sei. Als besonders wichtig hat Carmen Wegge, die in diesem Jahr gerne ein Abgeordnetenbüro in Germering eröffnen möchte, den Aktionsplan gegen den Rechtsextremismus bewertet. Die Vorkommnisse in der Reichsbürgerszene zeigten, wie wichtig diese Aktionsplan sei.

Wegge drückt ihren Stolz darüber aus, an dem großen Entlastungspaket mitgewirkt zu haben, mit dem die Bundesregierung die gestiegenen Kosten vor allem für Energie etwas dämpfen möchte. "Es bringt immer etwas, sich an uns zu wenden", sagt Wegge und wirbt dafür, mit Abgeordneten Kontakt aufzunehmen oder zu halten. Wegge meint, die Ampelkoalition habe in den Krisen - Corona, Ukraine, Energie - "den Härtetest bestanden".

In die gleiche Richtung geht Michael Schrodis Zusammenfassung des ersten Regierungsjahres: "Wir haben uns von den enormen Herausforderungen nicht einschüchtern lassen, sondern packen die Probleme mutig und zukunftsorientiert an", sagt der Olchinger SPD-Abgeordnete. Im vorigen Jahr zum finanzpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion gewählt, habe er, wie er berichtet, in persönlichen Gesprächsrunden mit dem Bundesfinanzminister oder auch dem Bundeskanzler direkt Einfluss nehmen können auf zentralen und wichtigen Gesetze dieser Bundesregierung. "Die größte Erhöhung des Kindergeldes in der Geschichte der Bundesrepublik auf 250 Euro habe ich in den Verhandlungen durchsetzen können; auch die vielen Direktzahlungen, die gerade kleinen und mittleren Einkommen am stärksten helfen, habe ich mitgestaltet." Und auch für seinen Wahlkreis Fürstenfeldbruck-Dachau habe er einiges erreicht: So sei es zuletzt gelungen, mehr als fünf Millionen Euro für das Karlsfelder Hallenbad zu mobilisieren. Schrodi: "Insgesamt also eine große Verantwortung, verbunden mit einem sehr hohen Zeitaufwand, die Arbeit macht aber auch sehr viel Spaß."