Süddeutsche Zeitung

Landtagswahl:Bereit zur Koalition

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Grüne heitern im Wahlkampf mit Kabarettabend auf

Von Karl-Wilhelm Götte, Gröbenzell

Der Defiliermarsch ertönt, und der bayerische Ministerpräsident marschiert ins Bürgerhaus ein. Johannes "JoJo" Becher, verkleidet als Monarch, grüßt als Markus Söder die Untertanen im Saal. Ausgestattet mit einem dicken roten Samtmantel und einer Krone auf dem Kopf nimmt er einschlägige Anleihen bei Ludwig II. Dazu trägt er noch ein Holzkreuz vor sich her. Das politische Laienkabarett aus Freising um dortige grüner Politiker bereitet den etwa 160 Zuschauern einen überaus vergnüglichen Abend in Gröbenzell.

Was das Niveau der Unterhaltung betrifft, kann Ludwig Hartmann, der Spitzenkandidat der Grünen für die kommende Landtagswahl, zuvor in seiner Rede nicht mithalten. "In genau 43 Tagen werden wir die absolute Mehrheit der CSU beendet haben", verkündet er selbstbewusst. Er spricht grüne Themen wie Artensterben, Turbolandwirtschaft oder die Klimapolitik an. Das Polizeiaufgabengesetz lehnt er mit den Worten ab: "Wir brauchen keine NSA." Er spricht sich für eine Kindergrundsicherung aus und kritisiert das Familiengeld der CSU-Staatsregierung: "Das bekommt der Porsche-Fahrer, aber nicht die Eltern unter den Hartz IV-Beziehern." Hartmann schließt mit der Parole: "Liebe CSU, die Zukunft in Bayern hat eine Farbe, und die heißt Grün."

Der "Markus Söder" auf der Bühne kann darüber nur erhaben schmunzeln. "Der Himmel strahlt hell in meinem Glanze", lässt er verlauten, während vier Frauen als Cheer-Girls ihm den Weg mit Puscheln säubern. Doch er hat ein gravierendes Problem: Die absolute Mehrheit bei der Wahl ist in Gefahr. Mit Stimmen von der SPD rechnet er nicht: "Die ist ein Skelett, da kann man nichts mehr runterreißen." Sein "Hiwi", wie Söder sagt, der Florian Hartmann (grandios gespielt von Andreas Heilmeier), der immer in die Knie geht, wenn er mit seinem Chef spricht, empfiehlt kleinlaut eine Koalition. Söder gibt sich zunächst bockig: "Ein Söder koaliert nicht, nur mit sich selbst." Er muss aber dann doch das Defilee möglicher Koalitionspartner über sich ergehen lassen.

Alice Weidel (Susanne Hehnen) lockt ihn mit dem Satz: "Franz-Josef Strauß wäre sehr stolz auf dich." Weidel singt zur Melodie der deutschen Nationalhymne: "Ihr seid nur die Kopie, wir die beste Partie." Ihre Radikalität unterstreicht sie mit dem Vers: "Kameltreiber und Neger ersaufen sie im Mittelmeer." Dann dient sich Hubert Aiwanger (Sebastian Habermeyer) Söder als Partner an. Alle Steuern müssten weg, fordert der Parteichef der Freien Wähler, der den "Baycoin" als Währung einführen will. Söder bleibt spürbar skeptisch. Auch als sich FDP-Mann Christian Lindner (Björn Láczay) als das "engste Hemd der Republik", so Söder, nach Bayern verirrt und für eine dritte und vierte Startbahn am Münchner Flughafen plädiert. Die SPD meldet sich dann noch schriftlich. Sie stimmt allem zu, will aber fünf Ministerposten. Schließlich offeriert die grüne Spitzenkandidatin Katharina Schulze (Carolin Hofer) ihre Zusammenarbeit mit Söder oder besser: mit seiner Nachfolgerin. "Details bespreche ich mit Ilse", kündigt Schulze im knallroten Kleid keck an. Das Freisinger Kabarettensemble mit Texten von Becher und Toni Wollschläger, der auf der Bühne als Archivar des bayerischen Zentralarchivs die Digitalisierung als Überwachungsinstrument vor Augen führt, wird am Ende mit berechtigtem Beifall überschüttet.

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SZ vom 03.09.2018
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