Süddeutsche Zeitung

Konzert:Mitgefühl und Lebensfreude

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Klezgoyim interpretieren Klezmer mit Esprit zeitgenössisch

Von Jörg Konrad, Puchheim

Mit Definitionen ist das so eine Sache. Verlässt man das Areal der Naturwissenschaften, wird es schwierig. Auch im Reich der Musik. Bis heute sucht man vergeblich nach einer einfachen wie griffigen Antwort auf die Frage, was Jazz sei. Mit einer umfangreichen Abhandlung käme man der Begriffsbestimmung wohl am nächsten. Ähnlich verhält es sich beim Klezmer. Musik der Juden - das wäre zu einfach und jüdische Musik gibt es per se nicht. Sich an die Art der Instrumente haltend? Zu Vielfältig sind hier die Möglichkeiten. Geografisch lässt sich der Klezmer auch nur schwer eingrenzen. Seine Spielweise erstreckt sich über einige tausend Kilometer von Ost nach West, auch von Nord nach Süd. Wird man vielleicht historisch fündig? Vielleicht. Nur sollte man bedenken, dass jüdische Musiker schon vor Jahrhunderten Klezmer auch auf Festen von Christen spielten. Sie waren eine Art "professioneller Alltagsmusiker".

Der große russische Komponist Dmitri Schostakowitsch hat den Klezmer inhaltlich einmal folgendermaßen beschrieben: "Die Musik des Klezmer ist Freude und Trauer in einem. Sie berührt mich auf eine Art und Weise, wie es keine andere Musik vermag." Zugegeben sehr subjektiv - aber stimmig.

Am Sonntagabend spielten in Puchheim Klezgoyim auf, ein Quintett aus Bremen, das sich offensichtlich all dieser Einschätzungen bewusst ist. Und vielleicht taucht genau deshalb in ihrem Bandnamen das "goyim" auf, was so viel wie "Nichtjude" oder "nichtjüdisch" bedeutet. Denn die Volksmusik des europäischen Ostens, wie aus Rumänien, Mazedonien oder der Türkei, klingt in vielen Facetten ähnlich dem Klezmer, sodass man von einer historischen Verwandtschaft ausgehen kann.

In Puchheim musizierten Peter Dahm (Saxofone), Martin Kratzsch (Klarinetten), Sanne Mörike (Akkordeon), Ralf Stahn (Bass) und Susanne Sasse (Schlagwerk) genau auf dieser Grundlage und brachten mit ihren melancholisch-fröhlichen Melodien und treibenden Rhythmen eine ambitionierte Vielfalt zum Ausdruck. Fünf Instrumentalisten, die sich einer Tradition verpflichtet fühlen und diese doch sehr zeitgenössisch interpretieren.

Man könnte fast von einer Weltmusik sprechen, die Klezgoyim in Puchheim mit Esprit und großer Leidenschaft spielen. Weltmusik im Sinne von bearbeiteten Volksweisen eben, die Mitgefühl und Lebensfreude beschwörend zum Ausdruck bringen.

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Quelle:
SZ vom 04.05.2016
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