Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Die Kehrseite des Booms

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Puchheim lebt über seine Verhältnisse und braucht die Rücklagen auf. Das ist nicht fahrlässig, sondern notwendig, weil die Zahl der Einwohner stark zugenommen hat

Von Peter Bierl

Die Stadt Puchheim steht finanziell hervorragend da: Viel Geld auf der hohen Kante, die Steuereinnahmen sprudeln, der Schuldenstand ist niedrig. Dennoch sind die fetten Jahre vorbei. Die Ausgaben überschreiten die Einnahmen, die Personalkosten steigen rasant, in drei Jahren ist das Sparschwein leer. Oberflächlich betrachtet handeln die Kommunalpolitiker fahrlässig. Solange die Wirtschaft gut läuft, sollte man Rücklagen nicht aufbrauchen, sondern mehren.

Diese Linie hat Puchheim unter Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) verlassen. Was soll bei der nächsten Wirtschaftskrise werden, wenn die Steuereinnahmen einbrechen? Dann muss man Schulden machen. Das ist keine Schande, sondern richtig und sinnvoll, denn es geht nicht um überflüssigen Luxus. Die Einwohnerzahl Puchheims ist um zehn Prozent gestiegen, entsprechend muss die Infrastruktur entwickelt werden. Die Stadt baut permanent neue Kinderhäuser, saniert und erweitert Schulen. Die Anforderungen werden immer höher: Krippenplätze, Mittagsbetreuung und Ganztagsschulen werden eingerichtet. Marode oder nicht mehr dem Standard entsprechende Einrichtungen wie der Bürgertreff und das Altenheim brauchen Ersatz. Um die Energieversorgung umweltfreundlicher zu machen und Geld zu verdienen, investiert Puchheim in Geothermie. Und um all diese Aufgaben zu bewältigen, braucht die Kommune mehr und gutes Personal.

Der Staat muss wie eine sparsame schwäbische Hausfrau agieren, verkündeten etablierte Politiker während der Grexit-Krise. Das ist populistischer Unfug. Zum einen, weil die Privatperson konsumiert, öffentliche Ausgaben jedoch können Investitionen sein, die Werte schaffen. Zum anderen zeitigt der Boom im Raum München negative Folgen, deren Kosten auf die Kommunen fallen. Offensichtlich ist das beim Wohnraum, der für Normal- und Geringverdiener zu teuer ist, weshalb die Stadt Puchheim viel Geld für eine Wohnungsbaugesellschaft und für Obdachlose ausgibt. Stadtrat und Bürgermeister handeln also richtig, denn sie erfüllen wichtige öffentliche Aufgaben

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Quelle:
SZ vom 19.01.2017
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