Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Datenschutz als Totschlagargument

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In der Pandemie sollte das Landratsamt Spielräume nutzen und offensiver informieren

Von Stefan Salger

Zu viele persönliche Informationen werden ungefragt von den großen Datenkraken abgesaugt. Facebook oder Whatsapp wissen meist mehr über Gewohnheiten, Konsumvorlieben und Freundeskreis, als uns lieb ist. Und niemand weiß, was mit sensiblen Daten passiert. Hier wäre eindeutig mehr Datenschutz vonnöten.

Manchmal wird der Datenschutz aber auch als Totschlagargument gebraucht. Natürlich ist es eine höchstpersönliche Entscheidung, welche Daten man von sich preisgeben will. Und natürlich müssen Behörden im Zweifelsfall jeden Bürger und seine Privatsphäre vorsorglich schützen. Behörden haben aber auch eine Auskunftspflicht gegenüber der Presse (Bayerisches Landespressegesetz, Artikel vier), die nicht so weit verwässert werden darf, dass Erhebungen und Statistiken jegliche Aussagekraft verlieren.

So listete das Landratsamt auf die Frage der SZ nach einstigen Corona-Hotspots jüngst zwar Seniorenheime auf nebst Zahlen der "infizierten Personen". Diese Zahl wird aber nicht einmal nach Bewohnern und Mitarbeitern aufgeschlüsselt. Und wo das Heim liegt oder wie es heißt? Datenschutz! Das ist genauso aufschlussreich wie die Erkenntnis, dass es in einem "Betrieb" irgendeiner Branche irgendwo im Landkreis 46 Infektionsfälle gegeben hat. Aus solchen Daten lässt sich nichts schließen, keine Verteilung, kein Trend, keine möglichen Versäumnisse. Die Behörde sichert sich damit - wenn auch sicherlich nicht bewusst - ein Monopol: Dank des Herrschaftswissens kann nur sie prüfen, ob im Einzelfall Fehler gemacht worden sind, und beurteilen, wie diese womöglich abzustellen wären und wer die Verantwortung trägt.

Dass es noch viel schlimmer geht, zeigt Tirschenreuth. Die Frankenpost aus Hof musste diesen Landkreis im Frühjahr 2020 vor dem Verwaltungsgericht zwingen, nach Gemeinden aufgeschlüsselte Daten über Corona-Infektionen herauszugeben. Der Landkreis Fürstenfeldbruck veröffentlicht diese Zahlen übrigens regelmäßig und anstandslos.

Letztlich muss gewährleistet sein, dass mit Sars-CoV-2 infizierte Personen nicht gegen ihren Willen identifiziert werden können (auch wenn dies eine gesellschaftlich eigentlich nicht gewollte Tabuisierung befördert). Auch Medien müssen dies gewährleisten - bei Gerichtsverfahren ist es Routine, die Namen von Angeklagten zu anonymisieren und so eine Identifizierung zu verhindern. Behörden sollten die vorhandenen Spielräume nutzen, die ihnen das Gesetz lässt, und offensiver informieren. Sonst spielen sie zu allem Überfluss auch noch Leuten in die Karten, die aus Halbwissen Verschwörungstheorien zusammenspinnen.

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Quelle:
SZ vom 16.06.2021
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