Süddeutsche Zeitung

In Gröbenzell:Publikumsrenner Kommunalpolitik

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Wegen Überfüllung des Bürgerhauses können nicht alle Interessierten eingelassen werden. Die Zuhörer erleben eine faire Diskussion der Bürgermeisterkandidaten.

Von Gerhard Eisenkolb

Mit den Worten, "den Gröbenzellern ist alles zuzutrauen", hat der Moderator und SZ-Redakteur Erich Setzwein am Montagabend im überfüllten Bürgerhaus die Volkshochschulpodiumsdiskussion mit den Bürgermeisterkandidaten eingeleitet. Das war auch als Anspielung darauf zu verstehen, dass für viele Gröbenzeller der Ausgang der Bürgermeisterwahl völlig offen ist. Und das könnte wiederum erklären, weshalb bei der zweiten großen Podiumsdiskussion innerhalb von wenigen Tagen wieder das Interesse das Platzangebot bei weitem überstieg. Deshalb mussten viele schon an der Saaltüre abgewiesen werden und viele der knapp 200 Zuhörer konnten die Debatte der Spitzenkandidaten nur stehend verfolgen. Und die Kandidaten vermieden es wiederum oft, sich auf klare Konzepte festzulegen. Dafür waren umso mehr allgemeine Willenserklärungen zu hören wie das Versprechen aller, endlich das Ortszentrum umzugestalten.

Und es wurde immer wieder erkennbar, wie widersprüchlich und tückisch Kommunalpolitik sein kann. Beispielsweise wenn der CSU-Spitzenkandidat Thomas Breitenfellner verspricht, "Gröbenzell soll bleiben wie es ist", nämlich charmant und liebenswert, und er andererseits die massive Bebauung auf dem Grundstück der Gaststätte Grüner Baum verteidigt. Der Preis für einen Restbiergarten und eine Gaststätte mit einem Nebenzimmer für 60 Personen ist, dass die Gemeinde dem privaten Investor ein hohes Baurecht für Wohnungen gewährt.

Der SPD-Herausforderer Florian Ritter versucht, sich von Breitenfellner abzusetzen, indem er ankündigt, mit gewissen Traditionen zu brechen. "Politik braucht Vertrauen, Politik muss berechenbar und verlässlich sein", fordert er. Um dann darauf hinzuweisen, dass das in Gröbenzell in vielen Bereichen nicht der Fall sei. Deshalb müsse sich grundsätzlich etwas ändern. In diesen Neuanfang bezieht der Landtagsabgeordnete Ritter aus Lochhausen ausdrücklich auch die örtliche SPD ein. "Ich sitze nicht hier, um jede Entscheidung meiner Partei mitzutragen", verkündet er selbstbewusst, als darüber diskutiert wird, in welcher Abstimmung im Gemeinderat die SPD-Fraktion die bei einer Bürgerwerkstatt vorgegebene Höhenbegrenzung von vier Stockwerken für ein Hotel in der Bahnhofstraße mit aufgehoben hat. Für Ritter sind Wohnungen wichtiger. Für ihn ist jedes Hotelzimmer ein Kinderzimmer oder ein Seniorenzimmer in Gröbenzell weniger.

Beschäftigen sich in Gröbenzell Kommunalpolitiker mit der Zukunft ihres Ortes, ist immer auch von der Vergangenheit die Rede - und man beruft sich gerne darauf, nur den Bürgerwillen umzusetzen. So nimmt beispielsweise der UWG-Bürgermeisterkandidat Martin Schäfer die Kritik des Grünen Gegenspielers Daniel Holmer an der Investorenplanung für den Grünen Baum zum Anlass, daran zu erinnern, dass das Konzept mit Saal, Wirtschaft und Biergarten aus der Bürgerwerkstatt, also aus der Bürgerschaft, komme. "Jetzt machen wir das so und es ist wieder falsch", stellt Schäfer zu dem Vorschlag der Grünen fest, zwar den Rest-Biergarten zu erhalten, aber auf den kleinen Saal zu verzichten. Für Breitenfellner wiederum sind Wirtshaus und Biergarten "in Stein gemeißelt". "Das muss umgesetzt werden", stellt der CSU-Bewerber kategorisch fest. Während Holmer angesichts des sehr kleinen Biergartens bezweifelt, dass sich die Bürger das wirklich einmal so vorgestellt haben, wie es nun die Gemeinderatsmehrheit beschlossen hat. Schäfer stellt die gesamte Diskussion um Geschosse und Baurecht in der Bahnhofstraße in Frage. Für ihn wird nur über Bauklötzchen und unerfüllbare Wünsche gesprochen. Seine Alternative lautet: entweder mehr Baurecht oder Abstriche bei den Wünschen, wobei Schäfer die Lösung offen lässt.

Nach den meisten Statements wird mal lauter, mal verhaltener applaudiert. Das Publikum verhält sich ebenso fair wie die Konkurrenten auf dem Podium. So klatscht die SPD-Gefolgschaft mit, wenn Breitenfellner sich voller Tatendrang dazu hinreißen lässt, mal eine Lanze für die Grünen zu brechen,wie er sagt. Oder CSU-Mitglieder signalisieren dem politischen Gegener ebenso mit Beifall, dass man in vielen Dingen übereinstimmt. Deutlich wird das beispielsweise dann, wenn es um die Bürgerbeteiligung geht. Hier sind alle einmütig für mehr Transparenz, Offenheit und eine bessere Informationspolitik des Rathauses. Die Gröbenzeller sollen künftig früher in Entscheidungen eingebunden werden, heißt es unisono. In Gröbenzell ist man so liberal, dass auch ein Nicht-Bürgermeisterkandidat auf dem Podium einen Platz findet. Diesem, Klaus Coy von der FDP, gelingt es als Ältestem alle Bürgermeisteranwärter in der Frage der Bürgerbeteiligung zu toppen. Der Liberale regt an, Gemeinderatssitzungen künftig auf der Homepage der Gemeinde direkt zu übertragen. Während Stefan Weinberger (FW) verkündet, "die Freien Wähler leben die Kultur der Bürgerbeteiligung". Weinberg schloss sich, wie er bekennt, den FW wegen des erfolgreichen Volksbegehrens zu den Studiengebühren an. Auch bei den Wahlversprechen glänzt Coy mit Formulierungen wie der, bei der Überplanung der Kirchenstraße mit vielen Stolperfallen gehe es darum, von einem niveaulosen Zustand zu einem niveaugleichen zu kommen. Kontrovers sind die Standpunkte zum Zukunft des Möbelhauses Fahr. Während Schäfer und Beitenfellner darauf verweisen, dass der Eigentümer die Hoheit über das Areal habe, geht Ritter die Frage der künftigen Nutzung grundsätzlich an. "Was passt dort hin?" lautet laut Ritter die zentrale Frage. Dies sei ergebnisoffen zu prüfen. Seien Wohnungen und Gewerbe möglich, sei darüber mit dem Eigentümer zu verhandeln. Laut Homer muss der Eigentümer bei einer Nutzungsänderung mit der Gemeinde kooperieren.

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SZ vom 05.02.2014
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