Süddeutsche Zeitung

Historische Adventskalender:Begleiter in der Vorweihnachtszeit

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Passend zum Christkindlmarkt werden am Wochenende in der Schulaula historische Adventskalender, Kastenkrippen und alte Postkarten vom bayerischen Bethlehem Wildenroth ausgestellt

Von Manfred Amann, Grafrath

Adventskalender und Weihnachtskrippen haben sich als Begleiter in der Vorbereitungszeit auf die Heilige Nacht ebenso eingebürgert wie der Adventskranz, der Christbaum und die vielen Christkindlmärkte, die landauf landab die Wartezeit verkürzen helfen. Begleitend zum Grafrather Christkindlmarkt sind am Wochenende in der Schulaula von Grafrath moderne und aufwendig gestaltete Kastenkrippen und Adventskalender aus vergangenen Jahrzehnten zu bewundern gewesen.

Im Vergleich zur Aufstellung von Krippen, die der Überlieferung nach in Klosterkirchen einsetzte nachdem Franz von Assisi 1223 im Wald von Grecchio in einer Höhle die Szene mit Maria, Josef und dem Jesuskind in einer Futterkrippe nachgestellt hatte, sind Adventskalender noch ein relativ neues Brauchtum aus der Mitte des 19 Jahrhunderts. So erzählt der Schriftsteller Thomas Mann in seinem Roman "Buddenbrooks" von dem kleinen Hanno, der im Advent 1869 das Nahen der Weihnachtszeit auf einem von der Kinderfrau Ida gebastelten Kalender verfolgt. Ganz so alt waren die etwa 80 Kalender, die Grafraths Gemeindearchivarin Christel Hiltmann von Privatleuten zusammengetragen hatte, zwar nicht, etliche davon hatten aber auch schon fünf und mehr Jahrzehnte auf dem Buckel. Einige stammten aus den Nachkriegsjahren und waren über ein halbes Jahrhundert alt. Und im Vergleich zu heute, wo es kaum noch welche ohne Süßigkeiten oder kleine Geschenke hinter den 24 Türchen gibt, barg keiner eine Schoko-Überraschung.

Süßlich kitschige Bilder von Engeln, die Geschenke bringen, zierten vor Jahrzehnten die Adventskalender.

Zu den ausgefallenen Adventskalendern gehört der Stern mit dem langen Kometenschweif.

Unterschiedliche Szenen der Weihnachtsgeschichte stellt Harald Lehner in Kastenkrippen dar.

Hinter manchem Türchen sind dafür fein gemalte Bildchen zu entdecken, auf denen biblischen Szenen, ein Christbaum, oder ein Schaukelpferd oder ein Holz-Zug dargestellt sind. Die bunten Exemplare zeigten Winterlandschaften, die Stadt Betlehem, heimatliche und orientalische Krippenszenen oder einen mit 24 Päckchen beladenen Nikolaus. Auch ein Stern mit langem Kometenschweif lud zum Öffnen der Türchen ein. Zu sehen sind auch gestickte und Scherenschnitt-Kalender. Als besondere Motive fallen die Liebfrauenkirche in München und die barocke Schaufront der Klosterkirche in Fürstenfeld auf. Auf beiden Adventskalendern musste man am Heiligen Abend als 24. Fensterchen die Hauptpforte öffnen.

Begeisterung finden die Kastenkrippen von Harald Lehner. "Es ist ein schönes Hobby", sagt der 55-jährige und erklärt Besuchern geduldig die Szenen der Weihnachtsgeschichte, die er in Holzkästen mit Frontfenstern dargestellt hat. Vor neun Jahren hatte er für einen Freund im Allgäu eine Krippe aufgestellt, dabei packte ihn die Leidenschaft. Immer wieder besuchte er Ausstellungen und suchte der Natur etwas abzuschauen, um für biblische Szenen einen passenden Rahmen zu finden. Aus Styropor formte er die bizarren Felsentürme in Jordanien, in denen sich das berühmte, antike Schatzhaus "Petra" der Nabatäer befindet, an dem er die Heiligen Drei Könige auf Kamelen vorbeiziehen lässt. Aus Hartschaumplatten fertigte er mit Kerbungen und Linien die Häuserfassaden einer Herberge, vor der ein böse dreinschauender Wirt Josef und die schwangere Maria abweist. Die Figuren kauft er zu, nur handgeschnitzte vom bekannten Künstlern aus dem Voralpenland. Besonders filigran ist die Krippe mit der Nachbildung eines Berghofes in Tirol, auf dem sich der Südtiroler Freiheitskämpfer Andreas Hofer 1786 auf der Flucht versteckt haben soll.

Hiltmann stellt an einer Wandtafel alten Postkarten vom bayerischen Betlehem aus. So wurde der Grafrather Ortsteil Wildenroth früher gegenannt. Der Monatskalender 2107, den sie aus den Postkarten zusammengestellte, zeigt unter anderem zwölf um 1900 errichtete, stattliche Künstlerhäuser, Schlösschen und Prachtbauten "von denen aber nur noch drei stehen", wie die Gemeindearchivarin mit Bedauern berichtet. Der Kalender kann im Rathaus erworben werden.

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SZ vom 05.12.2016
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