Süddeutsche Zeitung

Gröbenzell:Urknall und Kaffeeklatsch

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Die Grünen aus dem Landkreis feiern in Gröbenzell ihr 40-jähriges Bestehen mit Weggefährten der ersten Jahre und einer munteren Schar von Mandatsträgern. Hans Well und die Wellbappn erinnern an die vier Gründer und sparen nicht am Spott über Olching

Von Erich C. Setzwein, Gröbenzell

Von der Sprecherin der Grünen Jugend Gina Merkl ein Getränk serviert zu bekommen, von der grünen Bundestagsabgeordneten Beate Walter-Rosenheimer ein Stück Kuchen angeboten zu bekommen und von Hans Well und den Wellbappn eine aufgestrichen zu bekommen - das alles durften die Gäste beim 40. Jubiläum der Grünen am Samstagabend in Gröbenzell genießen. Kultur und Kulinarik waren die Zuckerl einer Geburtstagsfeier, bei der es vor allem um das Wiedersehen mit Weggefährten der ersten Jahre ging, um den Austausch von Anekdoten und einen Blick in die Zukunft. Denn die steht für die politische Arbeit bereit, übernimmt schon Mandate - oder schleppt, wie etwa Stadt-, Kreis- und Bezirksrat Jan Halbauer am Samstagabend im Stockwerk, schmutzige Teller in die Küche und saubere zurück ans Büfett.

Es wird im Laufe des Abends schon ein wenig darüber gefrotzelt, dass die kalten Platten in der kurzen Zeit immer leerer werden, in der sich viele Gäste noch gegenseitig begrüßen und in der ersten Runde des Small Talks festhängen. Plötzlich ist alles aufgegessen, die Platten weg, aufgeräumt von den fleißigen Helfern, die auch sonst gerne das Plakatekleben und den Straßenwahlkampf übernehmen. Da wird dann gescherzt, dass bei den Grünen "kein Essen weggeschmissen" werde, andere finden das knappe Angebot "so was von peinlich" und wieder andere stürzen sich auf die Käsebrocken, die die Organisatoren nach kurzer, intensiver Diskussion noch besorgt haben. Auch in Gröbenzell haben die Geschäfte bis 20 Uhr geöffnet.

Der langjährige Germeringer Landtagsabgeordnete Sepp Dürr wird nach der Feier drei Fotos auf seiner Facebookseite posten mit dem Kommentar "VeteranInnen-Treffen", denn so mancher aus der Gründungszeit des Gröbenzeller Ortsverbandes und des Fürstenfeldbrucker Kreisverbandes ist eingeladen worden. Die Gründer, darauf gehen Hans Well und die Wellbappn in ihrem Auftritt ein, seien 1997 eine "jugendliche Viererbande" gewesen, die Gründung selbst nennt Well den "Gröbenzeller Urknall". Das Chaos habe sich etabliert im Puchheimer Vorortgartenparadies Gröbenzell, heißt es im Sprechgesang der Gruppe aus Türkenfeld, die gleich darauf ihren Spottkübel auf die Nachbarstadt Olching ausschüttet.

Die Häme geht, die Torten kommen, und alle, die bereits zwei Stunden ohne Häppchen waren, bekommen nun reichlich von den riesigen rechteckigen Biskuitkuchen, die von Martin Runge, Beate Walter-Rosenheimer, Ortssprecher Walter Voit und Kreissprecherin Lena Satzger angeschnitten werden. Gröbenzells Bürgermeister Martin Schäfer (UWG) räumt beim Kaffeeklatsch mit dem hartnäckigen Gerücht auf, er und Runge, der auch sein erster Stellvertreter als Bürgermeister ist, würden sich schon seit Urzeiten kennen. Er habe die Grünen seinerzeit nicht so wahrgenommen, sagt Schäfer und erzählt von den selbst organisierten Fahrten nach Wackersdorf, wo man seinerzeit gegen die Errichtung einer Wiederaufarbeitungsanlage für ausgediente Brennelemente heftig demonstrierte.

Demos der Antiatomkraftbewegung hat 1979, dem Gründungsjahr der Grünen im Landkreis, auch Ingo Priebsch mitbekommen. Allerdings noch als Schüler in Flensburg. Brokdorf war das Ziel der norddeutschen Demonstranten damals, ähnlich umkämpft wie der WAA-Wald in der Oberpfalz. Allerdings gehörte Ingo Priebsch, 56, nicht zu den Gegnern, er war im Gegenteil auf der Seite der Befürworter. Der Bürgermeisterkandidat der Grünen in Gröbenzell, war damals noch bei der Schülerunion der CDU. Erst viel später fand er zu den Grünen, weil, wie er sagt, er sich Richtung Mitte bewegt habe und die Grünen auch in die Mitte gegangen seien. "Dort sind wir uns begegnet." Im kommenden Jahr jedenfalls will der ehemalige Bundeswehroffizier und heutige Netzwerker die Wahl gewinnen. Zu übersehen wird er jedenfalls nicht sein, wenn er im Wahlkampf seinen knallgrünen Anzug trägt.

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SZ vom 04.11.2019
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