Süddeutsche Zeitung

Gröbenzell:Bibliophile Schatzsuche

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Der Gröbenzeller Bücherflohmarkt erlebt mit gut 5000 Besuchern erneut einen beeindruckenden Andrang

Von Maximilian Neumair, Gröbenzell

Nur wenige Minuten nach Öffnung strömen Dutzende Menschen in die lichtdurchflutete Wildmooshalle. Einige tragen große Taschen unterm Arm oder ziehen kleine Koffer hinter sich her. In langen Tischreihen sind Zehntausende Bücher in Obstkartons fein säuberlich aufgereiht. Taschenbücher, historische Romane, Exotische Romane, Reisebücher, Kunstbücher - das Angebot ist riesig, genau wie die Anzahl der Buchliebhaber, die auf den Bücherflohmarkt in Gröbenzell ein wenig schmökern wollen. Die Veranstalter schätzen die Besucher in diesem Jahr auf insgesamt 5000.

In den vergangenen Jahren waren laut Renate Müller, eine der Veranstalterinnen, stets steigende Tendenzen bei den Besucherzahlen zu bemerken. Gleiches gilt auch für die Einnahmen, die an 28 verschiedene Hilfsprojekte gespendet werden. In der Regel werden in etwa zwei Drittel aller Bücher verkauft - so auch dieses Jahr. Die Angst vor dem Coronavirus bleibt allerdings auch hier nicht unbemerkt. Vor Einlassbeginn finden sich normalerweise schon riesige Menschentrauben vor dem Eingang, erzählt Müller. Diesmal ist der Ansturm etwas verhaltener, aber dennoch beeindruckend. Trotz der Infektionsbedenken füllt sich die Sporthalle im Laufe des Vormittags rasant. Und das an einem Sonntag, der traditionell sowieso schwächer besucht sein soll als der Samstag."Diese Masse an Büchern ist für viele überwältigend", schwärmt Müller. Sie hält besonders den "guten Aufbau" und die detaillierten Kategorien für einen wichtigen Teil des Erfolgs. Viele, die speziell etwas suchen, finden sich sofort zurecht und müssen sich nicht kreuz und quer durch 80 000 Bücher wühlen. Daher ist auch dieses Jahr die Resonanz wieder hervorragend.

"Seit fünf Jahren gehe ich hier her und bin ganz begeistert", schwärmt beispielsweise eine Besucherin aus Gröbenzell. "Gerade weil so viel Arbeit dahinter streckt, freut man sich darüber sehr", kommentiert Müller die positiven Rückmeldungen. Sie erzählt, die begeisterten Buchbummler kommen teils aus ganz Bayern oder sogar aus ganz Deutschland - egal ob Berlin, Bochum oder Stuttgart. "Die haben nirgendwo sonst etwas Vergleichbares gefunden. Teils waren sie auf Bücherflohmärkten mit nur sieben Kategorien", führt Müller weiter aus. Nicht vergleichbar mit dem Gröbenzeller Bücherflohmarkt, der seine Werke in über 200 Kategorien untergliedere. Diese Übersichtlichkeit schätzen viele Besucher. "Nirgendwo sind so viele verschiedene Bücher so gut geordnet. Immer wieder finde ich zufällig gebrauchte Bücher, da diese hier nach Themengebieten geordnet sind. Sensationell", freut sich Dirk Sprünken aus München. Auch der Münchner Joseph Bombar findet durch die übersichtliche Struktur immer wieder Neues: "Ich entdecke hier Bücher, die ich in Bibliotheken oder Buchläden nicht finde."

Die riesen Auswahl ist nicht nur toll sortiert, sondern auch noch günstig. Taschenbücher gibt es je nach Dicke schon ab 50 Cent, gebundene Bücher ab einen Euro. "Hier gibt's einfach mehr Bücher günstiger", freut sich eine Gröbenzellerin darüber mit einem Stapel an Science-Fiction-Taschenbüchern auf dem Arm. Taschenbücher verkaufen sich besonders gut, was sich die ehrenamtliche Mitarbeiterin Karin Rieger mit der besseren Handlichkeit erklärt. Neben den günstigen Schmöckerstücken in der Halle gibt es jedoch auch noch einen unscheinbaren Nebenraum voller alter Schätze. Für einen hohen Preis, den die für den Antiquitätenverkauf zuständige Silvia Meier nicht verraten darf, wurden unter anderem eine Übersetzung von Cicero aus dem Jahr 1742 und eine alte Fassung des Nibelungenlieds verkauft. Der Käufer beider Werke sei ein prominenter Politiker aus Gröbenzell, der sich jedoch bedeckt halten wolle.

Einzigartiges und Seltenes finden die Besucher nicht nur an dieser Stelle, sondern auch auf der Bühne in der Wildmooshalle. Zum ersten Mal versuchen sich die Veranstalter an einer Versteigerung. Hauptsächlich handelt es sich dabei um besondere Comics und Cartoons. Comiczeichner Werner Tiki Küstenmacher ist zu einer Signierstunde seiner alten Werke am Sonntagvormittag sogar selbst anwesend. Die Besonderheit: Er versieht die Bücher nicht einfach mit gewöhnlichen Unterschriften, sondern zaubert mal eben spontane Cartoons auf die Vorderseiten. Die Bühne wird ansonsten von den Besuchern als gemütliche Leseecke genutzt, um auch mal vorab einen Blick in die Texte zu werfen. Neben Büchern gibt es auch einen ganzen Saal voll DVDs, Hörbüchern, Schallplatten und Videospielen. Eine Münchnerin, die beladen mit zahlreichen Musikalben zwischen den Tischreihen schlendert, erzählt, dass sie noch aus ihrer Zeit in Puchheim den Flohmarkt kenne und schon seit Jahren immer wieder gerne herkomme. Natürlich entdecken jedes Jahr auch wieder gänzlich neue Besucher den Markt. So auch Clarissa Niermann aus München, die den Flohmarkt nutzt, um ihre Wunschliste an Büchern abzuarbeiten.

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SZ vom 03.03.2020
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