Süddeutsche Zeitung

Grafrath:Am Eingang wird Fieber gemessen

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Der Verein "Help Liberia" zeigt in Grafrath eine Ausstellung über die Arbeit in den zwei Kliniken, die er in dem westafrikanischen Land betreibt

Von Manfred Amann, Grafrath

Wer am Wochenende in Grafrath den Kulturraum der Gemeinde betreten wollte, musste sich erst die Hände desinfizieren. Wegen Corona? "Neuerdings auch! In Liberia, in unseren beiden Kliniken machen wir das schon seit 15 Jahren so, denn Hygiene ist in dem Ebola-Land das A und O, allerdings mangels entsprechender Mittel mit Chlor", erklärte Thomas Böhner, bevor man die "Ebola-freie" Ausstellung "Help Liberia" betreten durfte. Nachdem der Kassenwart des Vereins "Help Liberia - Kpon Ma" für medizinische Hilfe im ländlichen Liberia, Friedrich Döllerer, die "Patientenaufnahme wie vor Ort" abgeschlossen hatte und die Körpertemperatur gemessen war, mussten sich die Besucher einem "Screening" unterziehen, einer Untersuchung, wie sie in den beiden Hilfsstationen unter für uns Europäer kaum vorstellbaren, einfachsten Bedingungen täglich an bis zu 120 Kranken vorgenommen wird. Anschließend ging es zur Medikamentenausgabe. "Weil die meisten Liberianer weder lesen noch schreiben können, werden die Medikamente in Tütchen abgefüllt, auf denen Symbole vom Sonnen- und Mondstand die Einnahmezeit" anzeigen, sagte Böhner.

In Grafrath gab es "symbolhaft fürs Mitmachen" unverfälscht scharfen liberianischen Pfeffer. Die sehr eindrucksvoll gestaltete Ausstellung, die von der Kulturreferentin der Gemeinde, Sybilla Rathmann, unterstützt wird, bot anhand von vielen Fotos, Skizzen, Auflistungen, Originaldokumenten, medizinischen Geräten und Filmen auch einen nachdenklich machenden Einblick in das arme westafrikanische Land, dem der Verein unter Böhners Leitung an zwei Orten abseits der Städte vor allem medizinische Hilfe in Form einer Notfallrundumversorgung zukommen lässt. "Kpon Ma, der Zusatz zum Vereinsnamen, bedeutet landesprachlich "hilf mir", und ist uns zur Verpflichtung geworden", sagte der Vorsitzende, der sich seit seinem Einsatz als Entwicklungshelfer nach der Bürgerkriegszeit in Liberia um die Unterstützung kümmert. Die Darstellung machte deutlich, dass es in dem Hunger-Land zumindest abseits der Städte an fast allem fehlt, was bei uns selbstverständlich ist. "Die Menschen, überwiegend Alte, Schwangere und Kinder, kommen von bis zu 50 Kilometer aus dem Umland meist zu Fuß, denn ein Fortbewegungsmittel kann sich kaum jemand leisten", so der engagierte Krankenpfleger. Sollte die Überführung in ein Krankenhaus notwendig sein, stehe ein Auto zur Verfügung.

Bürgermeister Markus Kennerknecht lobte bei der Eröffnung den ehrenamtlichen Einsatz der Vereinsmitglieder als "beispielhaftes Engagement für eine gerechtere Welt" und wünschte, dass die Spendenbereitschaft weiterhin anhält. Unter den Ausstellungstücken befanden sich einige Dutzend Kreuzchen, die von ehemaligen Kindersoldaten aus Patronenhülsen gefertigt wurden und zum Frieden mahnen sollen. Laut Böhner zählt der gemeinnützige Verein etwa 50 Mitglieder und zahlreiche Spender, die auf ganz Deutschland verteilt sind und meist beruflichen Bezug zu Liberia haben und das Elend kennen. Monatlich werden mindestens tausend Euro benötigt, um die 17 Mitarbeiter in Liberia fortbilden, zu bezahlen sowie Hilfsmittel und Medikament besorgen zu können. Um den Verein und damit die Liberia-Hilfe aufrecht erhalten und verbessern zu können, hofft Böhner, weitere Spender zu finden. Der Verein sammelt auch "Mitbringsel" wie gebrauchte Handys, Armbanduhren oder Malstifte, "um den Mitarbeitern eine Freude zu machen".

Kontakt per E-Mail unter postmaster@help-liberia.com und Telefon 08144/996 69 45 möglich

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SZ vom 28.10.2020
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