Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Run auf die Naturschutzverbände

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Der Landesbund für Vogelschutz gewinnt im Landkreis 1300 neue Mitglieder in zwei Jahren. Auch der Bund Naturschutz wächst stetig. Viele Menschen sorgen sich um die Schönheit ihrer Heimat

Von Ingrid Hügenell, Fürstenfeldbruck

Die Naturschutzverbände im Landkreis verzeichnen gigantische Zuwächse. 1300 neue Mitglieder hat der Landesbund für Vogelschutz (LBV) in den Jahren 2018 und 2019 aufnehmen können, teilt Pressesprecherin Angelika Dester mit. "Man merkt die Aufmerksamkeit und das gesteigerte Interesse am Thema." Viele Leute wollten die Natur für die kommenden Generationen bewahren und seien einfach selbst gerne in der Natur. Dass der Zuwachs so groß gewesen sei, habe sie erstaunt: "Das ist schon 'ne Nummer."

Mit nun 4300 Mitgliedern hat der LBV zum Bund Naturschutz aufgeschlossen, der 4600 Mitglieder hat und ebenfalls kontinuierlich wächst, wie die Kreisvorsitzende Eugenie Scherb sagt. Viele neue Mitglieder kämen durch gezielte Werbeaktionen des BN. "Wenn die Leute angesprochen werden, sagen viele, da wollte ich schon lange eintreten", weiß Scherb. Deshalb blieben die meisten auch dabei.

"Genial", kommentiert Markus Erlwein, der Sprecher des LBV-Landesverbands die großen Zuwächse. Überall seien viele Menschen dem Verband beigetreten, im Landkreis Fürstenfeldbruck seien es sogar überdurchschnittlich viele. Das Volksbegehren zur Artenvielfalt, das der LBV mitgetragen hat, habe noch einmal einen deutlichen Schub gegeben, sagt Erlwein.

Er hat sich mit der Motivation der Eintritte befasst. "Die Leute wollen was tun für die Natur vor ihrer Haustür", sagt er. "Auch die Spenden sind um etwa zehn Prozent hoch gegangen." Dass der LBV Flächen aufkaufe um sie dann der Natur zu überlassen, sei den Menschen sehr wichtig geworden. Der LBV kümmert sich längst nicht allein um Vögel, sondern schützt vor allem Lebensräume, indem er Land aufkauft und entsprechend pflegt, etwa im Fußbergmoos. "Die Leute können bei uns selbst was tun, sie können mit anpacken", sagt Erlwein. Das sei anders als beim WWF oder bei Greenpeace. Im Vergleich zum BN sei der LBV kooperativer, der BN trete häufig konfrontativer auf und spreche sich etwa gegen neue Straßen aus. "Wo sich die Ziele überschneiden, arbeiten wir zusammen." Erlwein weiß, dass es auch Doppelmitgliedschaften gibt, Menschen also beiden Verbänden angehören.

Den Kontakt zum LBV finden viele über die Aktionen, bei denen sie Tiere zählen und die Ergebnisse weitermelden können, wie etwa die Stunde der Wintervögel, die vom 10. bis 12. Januar lief. Für Erlwein zeigen die Zuwächse vor allem eines: "Umweltschutz ist vom Randthema in die Mitte der Gesellschaft gerückt."

Die Krefelder Studie, in der erstmals das Ausmaß des Insektensterbens dokumentiert worden sei, nachfolgende Studien, die gezeigt hätten, dass auch Vögel betroffen seien, das Volksbegehren, die Fridays-for-Future-Bewegung, all das waren Erlwein zufolge einschneidende Ereignisse, die bei den Menschen ein Bewusstsein für den Wert der Natur geweckt hätten. "Es ist in den Fokus gerückt, dass vieles schon nicht mehr da ist. Die Leute wollen unterstützen, dass wir für die Schönheit der Natur kämpfen."

Zum BN kommen Scherb zufolge häufig Menschen mit einer ganz gezielten Motivation. "Die wollen was dagegen tun, dass ein Tümpel mit Gelbbauchunken zerstört wird oder schöne alte Bäume gefällt werden." Aus der persönlichen Betroffenheit ergebe sich oft eine längerfristige Unterstützung. Beim BN seien vor allem Leute ab etwa 50 Jahren aktiv, sagt Scherb. Die kämen, wenn die Kinder aus dem Haus seien. Der BN ist im Landkreis in elf Ortsgruppen organisiert, die keine eigenen Vereine sind. Dort seien auch Experimente möglich, wie etwa in Grafrath, wo beschlossen worden sei, keinen Vorstand zu wählen, sondern Fachteams zu bilden. In Olching gibt es Scherb zufolge eine "sehr junge Truppe". Das Interesse an Jugendgruppen, in denen Wissen über die Umwelt vermittelt werde, wachse, sagt sie. Man könne im Naturschutz nicht einfach irgendetwas machen, etwa bei Pflanzaktionen. "Das Fachwissen ist wichtig, sonst kann man mehr Schaden anrichten, als es nützt."

Trotz des Mitgliederzuwachses ist es nicht einfach, jemanden zu finden, der in den Vereinen ein Amt übernehmen will. Scherb hat die Erfahrung gemacht, dass viele Mitglieder sich lieber mit konkreten Projekten befassen als einen Posten im Vorstand zu übernehmen. Beim LBV sind die beiden Stellvertreterposten seit einem Jahr vakant. Das könnte sich bei der nächsten Jahreshauptversammlung im März aber ändern, deutet Dester an.

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Quelle:
SZ vom 14.01.2020
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