Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Ringen um sauberes Grundwasser

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Die Nitratwerte im Oberflächen-Grundwasser bleiben hoch, auch in Gebieten in den Kreisen Dachau und Fürstenfeldbruck. Neue Messstellen bringen jetzt neue rote Zonen mit Grenzwertüberschreitungen.

Von Alexandra Vettori, Fürstenfeldbruck

Bei den Landwirten im nördlichen Landkreis Dachau herrscht seit zwei Wochen Aufregung. Da sind die neuen roten Zonen der Düngeverordnung veröffentlicht worden, die erheblich von den bisherigen abweichen. Ganz neu ist eine Zone bei Petershausen. Die vergleichsweise kleine rote Fläche im Nordwesten des Landkreises Fürstenfeldbruck ist fast doppelt so groß geworden. Rote Zone, das heißt, dass hier die Nitrat-Grenzwerte im Oberflächen-Grundwasser überschritten werden. Für betroffene Bauern bedeutet das weniger Gülle oder Kunstdünger auf die Felder, also weniger Ertrag.

Gut 30 Jahre nach der ersten EU-Nitratrichtlinie ist die Belastung des Grundwassers in vielen Gebieten Deutschlands immer noch zu hoch. Seit 2018 läuft deshalb ein Vertragsverletzungsfahren am Europäischen Gerichtshof. Nitrat gilt als krebserregend und darf nicht ins Trinkwasser. Hauptursache für die Verunreinigung sind Gülle und Kunstdünger auf den Feldern. Rote Zonen werden laut Düngeverordnung überall da ausgewiesen, wo Messstellen mehr als 50 Milligramm Nitrat pro Liter Oberflächen-Grundwasser anzeigen. In den Landkreisen Dachau und Fürstenfeldbruck gibt es seit Jahren solche Gebiete, im Nordwesten des Dachauer und im Nordwesten des Brucker Landes.

Neue Messstellen bringen neue rote Zonen

Mit der neuesten Novellierung der Düngeverordnung sind neue, zusätzliche Messstellen eingerichtet worden. Bisher, erklärt Josef Peis vom Amt für Landwirtschaft in Fürstenfeldbruck, das auch für Dachau zuständig ist, lagen im Landkreis Dachau 3900 Hektar Felder in rotem Gebiet, 1900 Hektar davon bleiben das auch künftig. Die übrigen 2000 fallen zwar heraus, dafür kommen an anderer Stelle rund 2700 Hektar neu hinzu. Im Landkreis Fürstenfeldbruck ist die Gesamtfläche wesentlich kleiner. Bisher lagen rund 30 Hektar im Gebiet mit Nitrat-Grenzwertüberschreitungen. Diese bleiben dort auch, 20 Hektar kommen neu dazu.

"Im Landkreis Dachau sind einige extrem erschrocken", berichtet Josef Sedlmair, Kreisobmann des Bauernverbands. Bis heute wüssten viele Landwirte nicht genau, welche Felder nun in den neuen roten Zonen sind. Das Wasserwirtschaftsamt München und das Amt für Landwirtschaft bieten deshalb momentan Infoabende an.

Am gefürchtetsten ist die Vorgabe, 20 Prozent weniger Dünger auszubringen. Langfristig, sagt Sedlmair, verstärke sich die Ertragsminderung: Je länger die Böden wenig gedüngt würden, desto ärmer würden sie. Für Tierhalter komme hinzu: "Die Reform gilt seit 20. November. Jetzt, im Winter, darf man eh nicht düngen. Aber wenn ich im Frühjahr nicht mehr so viel wie bisher düngen kann, brauche ich neue Sammelbehälter, weil das Vieh ist ja da. Das sind zusätzliche Kosten."

Hilgertshausen-Tandern ist nun nicht mehr innerhalb der roten Zone

Freude herrscht dagegen im Gebiet um Hilgertshausen-Tandern, wo bisher rote Zone war. Zu verdanken ist das laut Jonas Hürten vom Wasserwirtschaftsamt München (WWA) drei neuen Messstellen in dem Gebiet, sie lagen unter dem Grenzwert. Mit ihnen ist nicht mehr nur der Wert der Hauptmessstellen im Kreis Aichach-Friedberg ausschlaggebend. Andernorts, rund um Petershausen etwa oder in einem Dreieck zwischen Markt Indersdorf, Kleinschwabhausen und Altomünster, ist genau das Gegenteil eingetreten, hier haben die genaueren Messungen mehr belastete Gebiete sichtbar gemacht. Die rote Zone im Landkreis Fürstenfeldbruck, im Grenzgebiet zu Mehring, ist geblieben und nur ein bisschen gewachsen.

Wieso es im Landkreis Fürstenfeldbruck vergleichsweise wenig rote Zonen gibt, weiß auch BBV-Kreisobmann Matthias Heitmayr nicht. "Wir machen nichts anderes als die Dachauer Bauern", sagt er. Ein Viertel der Ackerfläche im Brucker Land sei Maisanbau, die Zahl der Biobetriebe ähnlich. Vielleicht, schätzt er, habe es mit Niederschlägen oder der Bodenbeschaffenheit zu tun. Generell ist Heitmayr für mehr Messstellen, damit die Belastung lokaler erfasst werde.

Dass es Misstrauen sät, wenn sich die Zonen je nach Messmethode immer wieder verändern, sieht Jonas Hürten vom WWA ein, betont aber: "Wir haben jetzt ein genaueres Bild." Letztendlich sei das Prozedere das Ergebnis der Verhandlungen zwischen EU und Deutschland, das bisherige Verfahren habe die EU nicht akzeptiert. Im Großraum München richtet das Wasserwirtschaftsamt die Messstellen ein und betreibt sie, das Landesamt für Umwelt rechnet aus, wie groß das von der Messstelle abgedeckte Gebiet ist und ob es rote Zone wird. Das ist eine komplexe Sache, weil dazu der jeweilige Grundwasser-Körper betrachtet wird und auch die Bodenbeschaffenheit eine Rolle spielt.

Grundwasserkörper sind unterirdischen See, also Wasservolumina, die sich in einem einheitlichen hydrogeologischen Gebiet befinden. Im Landkreis Dachau gibt es drei Oberflächen-Grundwasserkörper, einen unter der Schotterebene, der langsam nach Norden zur Amper hin fließt, einen im Dachauer Hinterland, der bei Hilgertshausen-Tandern in Richtung Pfaffenhofen reicht und einen bei Altomünster, der sich Richtung Aichach-Friedberg erstreckt. Der Grundwasserkörper unter der Schotterebene reicht bis in den Osten des Landkreises Fürstenfeldbruck. Im Norden gibt es dort einen weiteren, der entlang der Kante des tertiären Hügellandes fließt, und den Moränen-Grundwasserkörper in Richtung Ammersee.

Landwirte in den roten Zonen dürfen nur 20 Prozent unter Bedarf düngen, Zwischenfrüchte und Wintergerste gar nicht. Dazu müssen Zwischenfrüchte angebaut werden, die überschüssiges Nitrat aus dem Boden aufnehmen.

Auch wenn das Procedere an sich auf Kritik stößt, sind sich alle darin einig, dass etwas passieren muss. Denn die Tatsache, dass zu viel Nitrat im oberflächennahen Grundwasser ist, zeigt, dass insgesamt über Bedarf gedüngt wird. Wie Jonas Hürten vom WWA betont, werden weitere Messstellen folgen, "und spätestens in vier Jahren wird die Kulisse aktualisiert".

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Quelle:
SZ vom 02.01.2023
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