Süddeutsche Zeitung

Corona in Fürstenfeldbruck:Hilferuf aus der Klinik

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Viele Covid-Patienten, geschlossene Stationen, Lücken beim Personal: Corona beschäftigt das Kreiskrankenhaus in Fürstenfeldbruck wie zu den schlimmsten Zeiten der Pandemie.

Von Andreas Ostermeier, Fürstenfeldbruck

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krankenhauses leben in zwei Welten. Außerhalb der Klinik gibt es so gut wie keine Prävention mehr gegen Corona, innerhalb sind die Einschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen so stark wie in den beiden vergangenen Jahren. Das bedeutet: Bei jedem Patienten mit Corona läuft das ganze Programm mit Schutzkleidung, Handhygiene, Masken und Desinfizieren ab. Für Ärzteschaft und Personal ist das eine große Belastung. Und die wird dadurch gesteigert, dass in der Klinik wieder ebenso viele Patienten mit Corona liegen wie zu den Hochzeiten der Pandemie. Am Mittwoch waren es 31, am Donnerstag 29.

Klinikleiter Alfons Groitl hat deshalb am Donnerstag einen Hilferuf losgelassen. Der Tagesablauf sei von Corona ebenso bestimmt wie zu den Zeiten der größten Krankheitswellen, sagt Groitl, als er vor den Kreisräten die belastende Situation dargelegt. Wieder, wie schon in den vergangenen Jahren, werden sämtliche Operationen verschoben, die nicht nötig sind, um das Leben von Patienten zu retten. Aktuell werde nur die Notfallschiene gefahren, sagt der Klinikleiter. Das bedeutet, dass viele Personen mit erheblichen Einschränkungen und Schmerzen leben müssen.

Nach Auskunft von Groitl sind zwei OP-Säle in der Kreisklinik geschlossen, das Personal werde anderswo gebraucht. Auch bei der Rettungsleitstelle ist die Klinik mehrmals am Tag abgemeldet, weil sie keine weiteren Patienten aufnehmen kann. Für die Sanitäter heißt das, dass sie Patienten in andere Landkreise fahren müssen. Doch auch dort, so der Klinikleiter, fehlen bisweilen Aufnahmekapazitäten. Im Großraum München sind laut Groitl zeitweilig alle Kliniken voll.

Krisenstab im Krankenhaus

Mehrmals am Tag trifft sich der Krisenstab des Krankenhauses, um auf Personalausfälle zu reagieren und die Stationen arbeitsfähig zu halten. Grund dafür ist ebenfalls Corona. Etliche Pflegerinnen und Pfleger sowie Ärztinnen und Ärzte liegen selbst im Bett, sie sind entweder an Covid erkrankt oder bleiben zu Hause, weil sie positiv getestet sind. Was die Situation im Krankenhaus angeht, wird Groitl vor den Kreisräten deutlich und spricht von "Chaos".

Zwar sind die Fälle von schweren Covid-Erkrankungen zurückgegangen, doch für die Kreisklinik bringt das nur wenig Entlastung. Die meisten Patienten, die das Virus mitbringen, kommen nicht wegen, sondern mit Corona. Das Virus ist also nicht der Grund, doch in der Klinik kommt es an, und das bedeutet, dass das volle Schutzprogramm ablaufen muss. Zudem, auch darauf macht Groitl aufmerksam, verschlechtert eine Ansteckung die Heilungschancen der Patienten, die mit anderen Krankheiten oder Verletzungen im Krankenhaus liegen.

Es droht ein Defizit

Die Schließung von OP-Sälen und die Verschiebung von Operationen wirken sich zudem auf die wirtschaftliche Bilanz des Krankenhauses aus. Die Klinik muss mit einem Defizit rechnen. Und sie gerät gegenüber der privaten Konkurrenz ins Hintertreffen. Denn private Kliniken ohne Corona-Stationen bieten Operationen an, die nicht überlebensnotwendig sind. Und bekommen dadurch Geld, das ansonsten möglicherweise die Kreisklinik verdienen würde.

Sorgen bereitet Groitl zudem die wachsende Frustration unter den Mitarbeitern. Nach mehr als zwei Jahren Pandemie sind viele an die Grenzen dessen gekommen, was sie leisten können. Das Ende aller Anstrengungen, die Verbreitung der Krankheit wenigstens zu verlangsamen, trägt nicht gerade zur Motivation bei. Die Klinik, sagt Groitl, habe noch nie so wenige Anmeldungen für den Pflegeberuf verzeichnet wie in diesem Jahr. Corona verstärkt auch in diesem Zusammenhang die Notlage.

Bleibt die Politik bei ihrem Kurs, die Ausbreitung des Virus nicht einzudämmen, dann braucht es laut Groitl eine neue Hygienerichtlinie, damit die Krankenhäuser in den Normalbetrieb zurückkehren können. Das hält der Klinikchef für dringend geboten, denn "die Patienten brauchen uns".

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