Süddeutsche Zeitung

Fotografie:Schwarzweiß erwacht aus dem Dornröschenschlaf

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Bei den Internationalen Fürstenfelder Naturfototagen wird ein Trend deutlich: Profifotografen beschränken sich bewusst auf Licht und Schatten. So wie Norbert Rosing aus Grafrath für seinen aktuellen, opulenten Bildband. Ein Drohnenexperte bestätigt, dass Digitaltechnik allein kein Garant ist für gute Aufnahmen

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Die letzte wirklich umfassende Zäsur in der Fotografie war die Digitalisierung. Von Trendumkehr kann man nicht reden, aber auf den Internationalen Fürstenfelder Naturfototagen war doch so etwas wie eine Gegenbewegung erkennbar. Back to the Roots oder auch "Retro" - aufs Fotografieren bezogen: Beschränkung aufs Wesentliche, also in erster Linie auf die Schwarzweiß-Fotografie und bisweilen sogar der Griff zum analogen Kleinbild- oder Diafilm.

Ein sehr prominenter Vertreter dieser "Bewegung" ist Norbert Rosing, der am Sonntag im Stadtsaal eindrucksvolle Momentaufnahmen aus einem wilden Deutschland präsentierte. Der Profi-Fotograf aus Grafrath ist meistens mit zwei Leica-Kameras unterwegs - eine davon für monochrome Aufnahmen optimiert, und mit vielen Festbrennweiten, darunter immer eine mit 50 Millimeter - das werde oft unterschätzt, sei aber sein Lieblingsobjektiv. Der 67-Jährige würde gerne noch öfter zur analogen Kamera greifen - was aber mittlerweile allein aus finanzieller Sicht fast Luxus ist.

Rosing, der zur Crème de la Crème der Naturfotoszene zählt, hat eine Karriere gemacht, wie sie heute in Zeiten knausriger gewordener Buch- und Zeitschriftenverlage und des Online-Hypes kaum noch denkbar ist. Er arbeitete früher als Holzkaufmann, war eineinhalb Jahre Soldat und schließlich Krankenpfleger. Ende 1992 kündigte er in der Klinik kurz entschlossen, nachdem ihm der damals bereits renommierte, mittlerweile verstorbene Naturfotograf Fritz Pölking angeboten hatte, ihn in die kenianische Masai Mara mitzunehmen, um dort das Leben einer Leopardenfamilie zu dokumentieren. Es folgten Hunderte Reisen in viele Länder, so auch für drei Titelstorys von National Geographic, und eine Vielzahl opulenter Bildbände. Weltbekannt wurde das Titelbild von "Wild West", des jüngst erschienenen Werkes, das Rosings Frau Elli, die ihn auf einigen Reisen begleitet und bei der sehr dezenten Bildbearbeitung mithilft, als eines ihrer Lieblingsbücher bezeichnet. In den Nationalparks Nordamerikas wandelte er auf den Spuren Ansel Adams, des Großmeisters der Schwarzweiß-Fotografie. Das Cover zeigt einen dampfenden Bison.

Gespür, Begeisterung, Durchhaltevermögen und die Bereitschaft, den selben Ort mehrmals zu verschiedenen Uhr- und Jahreszeiten zu besuchen, seien die Voraussetzung für außergewöhnliche Aufnahmen. Profis wissen, dass man auch Rückschläge verkraften muss. So wie einmal in den Neunzigerjahren, als die Bedingungen in Kanada traumhaft waren und ihm einzigartige Fotos von Eisbären gelangen. Dachte er. Bis er zu Hause merkte, dass ein Großteil der 250 Filme unbrauchbar war, weil der Kameraverschluss bei fast allen Aufnahmen hängen geblieben war.

Rosings Tipp für engagierte Fotografen? Zeit und Geduld mitbringen, Workshops und Ausstellungen besuchen, vor allem den Kontakt zu Gleichgesinnten suchen, etwa in Fotoklubs. In ferne Länder müsse man mitnichten gleich reisen. Rosing selbst, der oft viele Jahre Arbeit in einen einzigen Bildband investiert, ist zurzeit regelmäßig an der Amper unterwegs - auf der Suche nach Waldreben sowie nach Baumstämmen, an denen Biber ihre Spuren hinterlassen haben. Und auf der Suche nach dem perfekten Moment.

Fotomotive finden sich also zuhauf vor der eigenen Haustür und lassen sich mit der richtigen Lichtstimmung in Szene setzen. So sieht das auch Paul Eschbach aus Dachau - mag er auf den ersten Blick auch noch stärker von der Digitalisierung profitieren als Rosing. Der 55-Jährige steht am Sonntag auf der Waaghäuslwiese unter einem Pavillon. Weil es regnet, fällt die Multicopter-Vorführung aus und er hat Zeit zu erzählen. Natürlich faszinieren ihn die Möglichkeiten, mit modernen Drohnen Luftbilder zu machen. Das war auch einer der Gründe, dass er dem Verband für unbemannte Luftfahrt (UAV) beigetreten ist. Durch die jüngste Verschärfung der Vorschriften ist der Einsatz größerer Drohnen freilich kompliziert geworden - es ist ein Mindestabstand von 50 Metern in alle Richtungen einzuhalten und deshalb oft einfacher, wieder selbst in ein kleines Flugzeug zu steigen. Der Unternehmensberater, Maschinenbauer und Hochschuldozent setzt deshalb für Aufträge von Bauherren oder Architekten meist eine winzige Drohnenvariante ein, die nicht unter die strenge Regelung fällt. Die ist mit 249 Gramm ein Fliegengewicht und darf eingesetzt werden, so lange sie in Sichtweite bleibt. Der Tausendsassa mit vier Propellern und einer Kamera für Zwölf-Megapixel-Fotos und 4K-Videos kann sich eine halbe Stunde in der Luft halten. Bei aller Begeisterung für Technik - "die Mischung macht's!" Deshalb ist Eschbach oft zu Fuß unterwegs. Und in seinen Workshops "Architektur und Technik" sowie "Natur im Moor" betonte er, wie wichtig es ist, sich die Fotomotive ganz klassisch zu erschließen - etwa im Dachauer Moos oder im Haspelmoos, wo die Gruppe am Samstag Graureiher ebenso beobachten konnte wie eine Wiesenweihe auf Beutezug. Im Gegensatz zur Drohnenfotografie gilt hier: je näher, desto besser.

Auch die nächste Auflage der Naturfototage naht: Vom 21. bis 24. April 2022 wird die Natur zwischen Alaska und Patagonien im Blickpunkt stehen. Dann hofft Organisator Udo Höcke, dass endlich wieder 120 statt 35 Aussteller teilnehmen dürfen und das geschätzte Defizit von 20 000 Euro bei der diesjährigen "Corona-Premiere" vergessen ist. Aussteller, Referenten und Besucher hätten sich aber sehr gefreut, dass man dieses Jahr in reduzierter Form den Wiedereinstieg gewagt habe. Etwa 2500 Besucher kamen nach Fürstenfeld zu den Ausstellungen, Vorträgen sowie zum Fotomarkt im Erdgeschoss der Tenne.

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SZ vom 02.08.2021
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