Süddeutsche Zeitung

Erneuerbare Energie in Olching:Anschub für die Energiewende

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Die Bürgergenossenschaft "Sonnensegler" will den Ausbau der Photovoltaik beschleunigen. Mehr als 80 Landkreisbürger unterstützen die Gründung - ein erstes Projekt gibt es bereits

Von Andreas Ostermeier, Olching

Soll das Tempo der Erderwärmung vermindert werden, müssen Kohle, Gas und Erdöl durch regenerative Energieträger wie Sonne und Wind ersetzt werden. Dieser Aufgabe stellen sich nun mehr als 80 Einwohner aus dem Landkreis. Sie haben die Bürger-Energiegenossenschaft "Sonnensegler" gegründet. "Wir wollen jetzt handeln", hieß es in der Gründungsversammlung. Mit einer Photovoltaikanlage für den Germeringer Kindergarten "Kleiner Muck" hat die Genossenschaft bereits ein erstes Projekt im Auge, das nach den Worten von Michael Lorenz demnächst unterschriftsreif sei. Auch in Olching gebe es bereits konkrete Vorhaben, sagte der Pfarrer der evangelischen Dietrich-Bonhoeffer-Kirche in Germering.

Lorenz ist Mitglied des Vorstands der neuen Genossenschaft. Auf der Gründungsversammlung wurden er sowie Falk-Wilhelm Schulz aus Olching und Jürgen Honold aus Puchheim mit der Vorstandsarbeit betraut. Zur Seite steht den neuen Vorstandsmitgliedern ein Aufsichtsrat, dessen Mitglieder ebenfalls in der Versammlung gewählt wurden. Die drei Männer stammen aus den Städten im östlichen Landkreis, in denen auch die Mehrheit der Genossenschaftsmitglieder zu Hause ist. Aber auch in Fürstenfeldbruck und in Gröbenzell stößt die Energiegenossenschaft auf Interesse. Am Abend der Gründung fanden zudem ein halbes Dutzend Personen zu einem Ortsverband Emmering zusammen. Lorenz sagte, er sei "positiv überrascht", wie viel Interesse die Gründung der Genossenschaft gefunden habe. Und neben den bereits eingeschriebenen Mitgliedern gebe es noch weitere Personen, die beitreten wollten, zur Gründungsversammlung aber nicht hätten kommen können.

Die "Sonnensegler" setzen zunächst auf den Betrieb von Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen), egal ob auf Dächern oder zu ebener Erde. Dafür gebe es im Landkreis viel Potenzial, sagte Lorenz. Zusammenarbeiten will die Genossenschaft mit Privatleuten ebenso wie mit Firmen, Kommunen und Stadtwerken. Man verstehe sich nicht als Konkurrent, sagte Falk-Wilhelm Schulz, der frühere Leiter der Stadtwerke Olching. Das ist auch schon durch die finanziellen Mittel bedingt, die der Genossenschaft zur Verfügung stehen. 300 Euro kostet ein Genossenschaftsanteil. Zudem zahlen Mitglieder einen Aufschlag von weiteren 300 Euro, der in den Grundstock für die Finanzierung von Projekten fließt. Große Vorhaben alleine zu stemmen, das ist mit diesen Summen nicht möglich, eine Beteiligung an Vorhaben zur Gewinnung von regenerativem Strom aber schon.

Vorbild einer Freiflächenanlage ist die neue Agri-PV in Althegnenberg. Sie gestattet die doppelte Nutzung eines Ackers, sowohl für den landwirtschaftlichen Anbau als auch für die Gewinnung von Solarstrom. Dafür sind die Solarpanele weit genug von einander aufgestellt, dass die Maschinen des Landwirts zwischen ihnen durchfahren können. Wird auf dem Feld nicht gearbeitet, lassen sich die Solarmodule so ausfahren, dass sie sich optimal zum Einfallwinkel des Sonnenlichts positionieren. Mithilfe ihrer Tracking-Technik folgen sie dann dem Lauf der Sonne, um während des Tages immer optimal Strom erzeugen zu können.

Geothermie ist für den Vorstand ebenfalls ein Thema. Doch bei den Geldsummen, die allein der Einsatz der Bohrgeräte benötigt, sei ein solches Projekt nur zusammen mit einem Partner umsetzbar. Auch die Nutzung der Windenergie hat man im Blick, doch die Regelungen zu Mindestabstand (10-H) und Flugfeuern im Umkreis der Flughäfen von München und Oberpfaffenhofen erschweren Planung und Bau von Windkraftanlagen. Dies kann erst nach möglichen Gesetzesänderungen einfacher werden.

Die Kerngruppe der Energiegenossenschaft besteht aus etwa zwei Dutzend Personen. Unter ihnen gibt es etliche, die sich schon viele Jahre mit Solartechnik beschäftigen oder beruflich mit diesem Energiesektor zu tun haben. Seit etwa einem Jahr ist die Gruppe mit den Vorbereitungen der Gründung einer Genossenschaft befasst. Zudem knüpfen sie Kontakte und suchen nach Projekten. Pfarrer Lorenz ist kein Techniker. Er steht repräsentativ für diejenigen, deren Interesse an dem Thema Energieerzeugung aus dem Engagement für "Fridays for Future" stammt. Der Ausbau der regenerativen Energien ist für Lorenz der "Schlüssel zur Energiewende". Auch als Bürger wolle er Verantwortung dafür übernehmen, dass die Pariser Klimaziele erreicht werden, sagte der Germeringer zu seiner Motivation, bei der Energiegenossenschaft mitzumachen.

Genossenschaften wie die Sonnensegler gibt es in Bayern an die 250, wie beim Verein Bürgerenergie Bayern zu erfahren ist. Das ist gut ein Viertel aller derartigen Genossenschaften in Deutschland. Die Olchinger Gründung ist also bei Weitem kein Einzelfall, sie repräsentiert vielmehr den Willen vieler Einwohner des Freistaats, die Energiewende voranzubringen, auch wenn die Staatsregierung dieses Vorhaben mit Hindernissen wie der 10-H-Regelung erschwert. Auf die Form einer Genossenschaft setzen die Initiatoren, weil diese die am meisten demokratische sei, wie Lorenz sagte. Jedes Mitglied hat eine Stimme, auch wenn der oder die Betreffende mehrere Einlagen von 300 Euro geleistet hat. Zudem sind laut Vorstandsmitglied Lorenz von Genossenschaften kaum Pleiten bekannt.

Die Sonnensegler wollen mit dem ihnen anvertrauten Geld sorgsam umgehen. Für größere Projekte, so sagte Schulz, solle unter den Mitgliedern um Darlehen geworben werden. Eine Verzinsung der Einlagen wird angestrebt, allerdings wird dies nach den Worten von Schulz einige Zeit dauern. Fünf bis sechs Jahre seien ein realistischer Wert, sagte Schulz mit Blick auf andere Bürger-Energiegenossenschaften.

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SZ vom 22.10.2021
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