Süddeutsche Zeitung

Erinnerungen :Der Manager

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Unter der Regie von Bürgermeister Erich Pürkner stampfte Puchheim in den Jahren nach 1970 Kindergärten und Schulen aus dem Boden, die Straßen wurden asphaltiert und ein Sportzentrum eingerichtet. Im Stadtrat kämpft er nun für eine Autounterführung im Zentrum

Von Peter Bierl, Puchheim

Der Bau vieler großer Häuser in der Planie hat Puchheim komplett verändert. In kürzester Zeit entstanden im Zentrum und südlich an der Edelweißstraße neue Wohnungen für Tausende von Menschen. Die Kommunalpolitiker reagierten damit auf den Appell der Landeshauptstadt München, wo Wohnungsnot herrschte. Nur fehlte die erforderliche Infrastruktur fast völlig. In Puchheim fungierte Bürgermeister Erich Pürkner (CSU) als Manager, der versuchte, die Lücken zu schließen.

Als Nobody war Pürkner 1970 gewählt worden, nach einem dreimonatigen Wahlkampf, in dem er von Haus zu Haus zog. Beim Amtsantritt war er 30 Jahre alt, damals angeblich der jüngste hauptamtliche Bürgermeister der Republik. Auf dem Papier war die Bebauung der Planie schon gelaufen, das Rathaus und die Kirche sowie ein paar Häuser standen ja schon seit 1966. Der Spatenstich für die Geschossbauten und Hochhäuser stand aber noch bevor.

Er hätte eine Entwicklung in dieser Dimension gerne verhindert. "Die Bebauungspläne waren aber so weit gediehen, dass die Gemeinde Schadenersatz hätte zahlen müssen", erzählt Pürkner. 1972 waren die ersten Bauten in der Edelweiß-, Adenauer- und Heussstraße fertig. Es gab im Ort aber nur eine Grundschule am Gerner Platz und eine im Altdorf, die die Regierung schließen wollte, und nur einen Kindergarten gegenüber dem Birkengarten. Keine einzige Straße sei komplett ausgebaut gewesen, es gab keine Gehsteige, keine Beleuchtung. Die Lochhauser Straße als Hauptstraße hatte nur eine schlichte Teerdecke, erzählt Pürkner, der seit seinem Ausscheiden aus dem Amt als Anwalt arbeitet. Seine Kanzlei befindet sich auf dem Gutshof Harbeck mitten in der Stadt.

Zwar habe sein Amtsvorgänger Verträge über die Nachfolgelasten geschlossen. Die sahen umgerechnet aber nur etwa 1250 Euro pro Wohnung vor. "Das war viel zu wenig. Die Zahl war aus der Luft gegriffen", sagt er. Die Kommune musste unter Leitung Pürkners Jahr für Jahr Millionen Schulden machen. Mit dem Geld baute die Gemeinde Schulen, Kindergärten und Straßen, das Rathaus wurde um einen Sitzungssaal erweitert. Die Geschossbauten in der Nordendstraße, etwa 600 Wohnungen, habe er "am Rande der Rechtswidrigkeit verzögert". Der Bauherr erklärte sich schließlich bereit, auf dem Dach der Tiefgarage einen Kindergarten einzurichten.

"Sehr, sehr stolz" ist Pürkner, dass er Gymnasium und Realschule nach Puchheim holen konnte, trotz Konkurrenz aus Gröbenzell und Eichenau, die diese Einrichtungen des Landkreises gerne bei sich gehabt hätten. Der damalige Landrat Matthias Duschl (SPD) veranstaltete ein Wettrennen: Wer zuerst ein bebaubares Grundstück brachte, würde den Zuschlag bekommen. Pürkner verhandelte damals gerade mit dem Freistaat über sieben Hektar für ein Sportzentrum. Er bekam noch sieben Hektar dazu, unterschrieb den Kaufvertrag beim Notar im Auftrag des Landkreises als "vollmachtsloser Bürgermeister" mit so kurzer Frist, dass der Landrat das Geschäft als dringliche Anordnung abschließen musste, ohne den Kreistag vorher zu fragen.

In der Kommunalpolitik ging es damals recht hemdsärmlig zu. In seiner allerersten Gemeinderatssitzung in Puchheim auf der Zuschauerbank erlebte Pürkner mit, wie der Bürgermeister die Leitung einfach seinem Germeringer Kollegen Josef Kistler übergab. Es ging um einen Vertrag mit dem Grundeigentümer Harbeck. Kistler vertrat als Anwalt Harbeck und die Bauherren und war als Kommunalpolitiker Vorsitzender des Abwasserzweckverbandes. Er schloss damals Verträge per Handschlag ab und hatte sich, wie Pürkner findet, den bayerischen Ehrentitel "ein Hund" redlich verdient.

Pürkner gefiel es am Anfang gar nicht in Puchheim. Aufgewachsen in Moosburg hatte er das Domgymnasium in Freising besucht und am Wittelsbacher Gymnasium in München das Abitur abgelegt. Er absolvierte ein Jurastudium in München, Berlin und Speyer an der Verwaltungshochschule und wurde Richter. 1967 zog er nach Puchheim, "weil es die preisgünstigsten Reihenhäuser in der ganzen Region gegeben hat". Erst als Bürgermeister wuchs ihm die Gemeinde schnell ans Herz.

Schließlich verhängte der Gemeinderat einen Baustopp. Der Architekt Ernst Maria Lang hatte erst einen Entwurf für einen Ort mit 50 000 Einwohner entwickelt, dann für 30 000, erzählt Pürkner. Die gesamte Fläche im Süden bis zum Kreisverkehr an der Tankstelle wäre komplett zugebaut worden. "Wir haben ihn in die Wüste geschickt", sagt der Altbürgermeister. Auslöser war die Anlage am Harbeck-Platz. Die Gemeinde wollte die Gebäude um zehn Meter nach Westen verlegen, um die Allinger Straße nicht als Straßenschlucht zu gestalten. Lang sei im Gemeinderat in Rage geraten, erzählt Pürkner. Da komme ein renommierter Stadtplaner und muss sich von diesen Holzköpfen in Puchheim etwas sagen lassen. Der Architekt wurde des Saales verwiesen und bekam Hausverbot.

Der Tag begann für Pürkner um 6 Uhr mit einer Radltour einmal um Gröbenzell und Puchheim. Um 9 Uhr ging er ins Rathaus und blieb oft bis bis Mitternacht. "Ich habe gerne gearbeitet und das nicht als Belastung empfunden." 1986 wurde die Bahnunterführung im Zentrum gebaut, die die alte Schranke ablöste, die ständig Staus produzierte. Die Autos werden über die neue Kreisstraße FFB 11 umgeleitet. Als die Unterführung zwei Jahre später vollendet war, hab er "allmählich aufgeatmet". Das meiste war vollbracht. Im gleichen Jahr wurde Pürkner abgewählt.

Fast zweieinhalb Jahrzehnte später kehrte er als Stadtrat zurück. Schon im Wahlkampf griff er auf, was seiner Meinung nach liegen geblieben war. Jetzt streitet für eine Autounterführung im Zentrum von Puchheim und verlangt, die FFB 11 weiterzubauen, die im Gewerbegebiet Nord endet. Ob er damit sein Werk als Kommunalpolitiker abschließen kann, ist fraglich. Die Mehrheit im Stadtrat hält von beiden Plänen bislang wenig. Puchheim hat sich erneut gewandelt. Die autogerechte Stadt ist nicht mehr angesagt.

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Quelle:
SZ vom 14.09.2016
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