Süddeutsche Zeitung

Einwohnerzahlen:Drei schrumpfende Gemeinden

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Von 2007 bis 2017 ist die Zahl der Einwohner in Schöngeising, Kottgeisering und Mittelstetten leicht gesunken. Im gesamten Landkreis aber ist die Bevölkerung um gut acht Prozent auf nahezu 218 000 Menschen gestiegen

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Gegen den Trend in der Wachstumsregion München ist zwischen 2007 und 2017 in drei Gemeinden im Landkreis Fürstenfeldbruck die Zahl der Einwohner leicht gesunken. In Schöngeising beträgt das Minus nach Angaben des Planungsverbands Äußerer Wirtschaftsraum München 1,5 Prozent oder 28 Personen, in Kottgeisering 0,5 Prozent und in Mittelstetten 0,2 Prozent. Im Landkreis lebten Ende 2017 genau 217 831 Menschen, aktuellere statistische Daten gibt es nicht. Das waren 16 683 Landkreisbewohner mehr als zehn Jahre zuvor, was einem Bevölkerungszuwachs von 8,3 Prozent entspricht. Die Fluktuation ist jedoch weitaus größer. Sie zeigt erst auf, wie mobil die Bevölkerung inzwischen geworden ist. Allein in der Stadt Fürstenfeldbruck zogen im Jahrzehnt bis 2017 bei einer Zahl von zuletzt 37 202 Einwohnern 32 045 Menschen zu und 27 833 weg. Ähnlich ist die Situation in den anderen Großgemeinden. In den Nachbarlandkreisen Starnberg (4,7 Prozent) und Landsberg am Lech (5,1 Prozent) fiel das Zehnjahresbevölkerungsplus viel geringer aus, in den Landkreisen München (9,8 Prozent) und Dachau (12,1 Prozent) jedoch stärker.

Rückläufige Einwohnerzahlen wie in Schöngeising oder Kottgeisering sind in der Münchner Region die absolute Ausnahme. Nur in zwei weiteren der insgesamt 153 Mitgliedsgemeinden des Planungsverbands gibt es eine solche Entwicklung. Schöngeisings Bürgermeister Thomas Totzauer (Freie Wähler) begründet dies mit zwei Faktoren. Junge Familien könnten es sich nicht mehr leisten, nach Schöngeising zu ziehen, und nach dem Abschluss der Schulausbildung verließen viele junge Erwachsene die Gemeinde. Zurück bleiben oft Senioren in zu großen Häusern.

Laut Totzauer erhöhte sich der Preis für Bauland in seiner Gemeinde in den zwei Jahren 2017 und 2018 um gut 30 Prozent auf aktuell mehr als 700 Euro für den Quadratmeter. Auch unbebaute Baugrundstücke sind damit zur besten Wertanlagen geworden. Totzauer wünscht sich ein moderates Wachstum und neue, vor allem seniorengerechte Wohnformen, wofür der Gemeinde aber die Grundstücke fehlen. Der Gemeinderat hat jüngst nach langem Zögern die Nachverdichtung von bereits bebauten Grundstücken erlaubt. Damit sollen erwachsen gewordene Kinder auf Dauer in Schöngeising bleiben können.

Das Bevölkerungsplus im gesamten Landkreis liegt bei 0,83 Prozent jährlich. Das entspricht in etwa der von der Mehrheit der Kommunalpolitiker angestrebten moderaten Entwicklung. Das haben die Bürgermeister als Ziel für den Landkreis bis zum Jahr 2040 festgelegt, allerdings nur als unverbindliche Vorgabe. Dabei verfügen viele Kommunen bereits über ein erhebliches Baurecht, von dem sie lange zehren können. Würde nur in der Gartenstadtgemeinde Gröbenzell das auf bereits bebauten Grundstücken liegende weitere Baurecht genutzt, könnte auf diese Weise zusätzlicher Wohnraum für etwa 5000 Personen geschaffen werden, was einem Viertel der derzeitigen Bevölkerung entspricht.

Landkreis-Spitzenreiter war in der vergangenen Dekade Oberschweinbach mit einem Bevölkerungsplus von 15,7 Prozent, gefolgt von Olching (12,6 Prozent) sowie Emmering und Alling mit je zwölf Prozent. Zu den Schlusslichtern gehören Eichenau (0,9 Prozent) und Gröbenzell (2,9 Prozent), die Große Kreisstadt Germering (8,9 Prozent) liegt im Mittelfeld.

Keine einzige der 23 Landkreiskommunen bringt es auf die Werte der Spitzenreitern im Münchner Umland mit einem stürmische Bevölkerungszuzug von bis zu 31,6 Prozent in den vergangenen zehn Jahren - wie etwa Unterföhring. Solche Phasen erlebte der Brucker Landkreis in den Fünfzigern, Sechzigern und Siebzigern. Selbst bei einem jährlichen Plus von nur einem Prozent werden nach der Prognose des Planungsverbands im Jahr 2040 etwa 50 000 zusätzliche Menschen im Landkreis leben als derzeit.

Deshalb ist ein Trend unumkehrbar: Die Urbanisierung und weitere Verdichtung des bereits dicht besiedelten Siedlungsschwerpunkts im Osten mit der Verdrängung des Wohnens im Einfamilienhaus hält an. Zwar rücken die Menschen auf dichter bebauten Grundstücken immer enger zusammen, aber der ihnen zur Verfügung stehende Wohnraum nimmt dafür leicht zu. Stand statistisch gesehen einem Münchner 2017 eine Wohnfläche von 38,4 Quadratmetern zur Verfügung, waren es im Landkreis immerhin 40, in Eichenau 46,5 Quadratmeter und in Gröbenzell sogar 48. So stieg innerhalb von zehn Jahren in Gröbenzell die durchschnittliche Wohnfläche aller Einfamilienhäuser um fünf auf nunmehr 130 Quadratmeter.

Wie städtisch der Siedlungsraum der Ostgemeinden inzwischen geworden ist, belegt die hier für jeden Einwohner zur Verfügung stehende Siedlungs- und Verkehrsfläche. Im Landkreis Fürstenfeldbruck stehen für jeden Bewohner durchschnittlich 303 Quadratmeter zur Verfügung. Im Germering sind es lediglich 165 Quadratmeter, in Fürstenfeldbruck 219, in Puchheim 183 und in Olching 272. In den ländlichen Gemeinden liegt die Bandbreite zwischen 1110 Quadratmetern in Mittelstetten und 477 in Grafrath.

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SZ vom 02.04.2019
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