Süddeutsche Zeitung

Eichenau:Auf gut Sächsisch und Bayerisch

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Bürgermeister Jens Haustein spricht von einer intakten "Baddnaschaft" zwischen Scharfenstein und Eichenau. Die verschiedenen Dialekte untermauern nur den Eindruck, dass man sich nach 25 Jahren blind versteht

Von Stefan Salger, Eichenau

Es gibt so etwas wie eine kleine Schrecksekunde. Denn kurz nach sieben Uhr am Donnerstagabend geht das Licht im Sitzungssaal aus und die ganze Festgemeinde sitzt im Dunkeln. Vielleicht versinnbildlicht das die seit 25 Jahren bestehende Partnerschaft zwischen Eichenau und Scharfenstein. Es gebe durchaus bedenkliche Entwicklungen auch im Osten Deutschlands, hat Jens Haustein gesagt, der Bürgermeister der Gemeinde Drebach, zu der Scharfenstein mittlerweile gehört. Sachsen sei aber mitnichten "Dunkeldeutschland" - "und wir zeigen, dass es auch anders geht".

Im Rathaus geht das viel schneller als in der bisweilen nicht ganz einfachen Wirklichkeit. Da drückt jemand einfach auf den Lichtschalter und man kann den Freunden wieder in die Augen sehen und sich auf die schönen Momente dieser offenbar wirklich funktionierenden Städtepartnerschaft konzentrieren. Es ist ein Abend mit wehmütigen Rückblicken, aber durchaus auch mit einem gefestigten und optimistischen Blick voraus. Nur ein Umstand mag ein ganz klein wenig irritieren: Die Männerquote liegt sicherlich bei um die 90 Prozent und der Altersschnitt dürfte jenseits der 50 Jahre liegen. Das kann man den vielen Feuerwehrmännern und den verdienten Kommunalpolitikern nicht zum Vorwurf machen - darunter die Kommandanten Jens Fichtner und Christian Weber und Münsters Amtsvorgänger Hubert Jung. Außerdem muss der Kreis der geladenen Gäste bei so einem Festakt zwangsläufig überschaubar sein, weil der Sitzungssaal nur für 24 Gemeinderäte und eine Handvoll Zuschauer konzipiert ist. Es gibt freilich durchaus das Bewusstsein, dass eine Partnerschaft von Zeit zu Zeit auch einer Verjüngungskur bedarf, um auf lange Sicht mit Leben gefüllt zu werden: Bürgermeister Peter Münster wird am Samstagmittag das große Bürgerfest auf der Rathauswiese eröffnen, abends folgt dann der Festabend im Bürgerzentrum, zu dem ebenfalls viele Familien erwartet werden. Eine gute Idee dürfte zudem ein Zukunftsprojekt sein: ein Fußballturnier, wie es Partnerschaftsreferent Claus Guttenthaler längst vorschwebt. Auch die anderen Partnerstädte würden da wohl mitziehen, wie ein Vertreter aus Budrio andeutet.

Aber erst einmal ist Zeit, sich gegenseitig mal so richtig hochleben zu lassen. Der Tag der Deutschen Einheit passt dafür wunderbar. Münster spricht von einem "Glücksfall", dass die beiden Gemeinden aus dem Westen und dem Osten der Republik zueinandergefunden haben. Besiegelt wurde die Partnerschaft von dem damaligen Eichenauer Bürgermeister Sebastian Niedermeier und seinem Scharfensteiner Amtskollegen und heutigen Ortsvorsteher Wolfgang Volkmann. Der sitzt neben Münster und Haustein vorne am Tisch, auf dem eine Deutschlandfahne aufgepflanzt ist. Im ganzen Saal sind grün-weiße sowie gelb-schwarze Fähnchen verteilt - passend zu den Farben von Sachsen und Eichenau. Münster betont, man lehne weitere Anfragen nach offiziellen Partnerschaftsanfragen mittlerweile ab, um sich ganz auf die drei sehr tiefen Verbindungen mit Budrio, Wischgorod und eben Scharfenstein zu konzentrieren. Mit einem Augenzwinkern berichtet er von dem vielleicht einzigen Rückschlag in dieser Partscherschaft: 2016 wurde ein Kühlschrank im Eichenauer Rathaus aufs Altenteil geschoben. Produziert worden war der noch im Werk des einstigen volkseigenen Betriebs DKK Scharfenstein, der später unter dem Dach von Foron unterkam und sich einen Namen gemacht hatte mit FCKW-freien Haushaltsgeräten.

Jens Haustein blickt dankbar zurück auf die Zeit der Montagsdemonstrationen, die den Grundstein gelegt hätten für die Verbindung - die sich wiederum prächtig entwickelt habe. Haustein lobt die "Boddnaschaft" Scharfensteins mit dem mittlerweile doppelt so großen Eichenau und das "dolle Festprogramm". Man spricht hier bayerisch und dort sächsisch und versteht sich doch. Einen Dolmetscher brauche man nicht, sagt Volkmann und lacht. "Wir kommen auf alle Fälle wieder", kündigt Haustein an. Und Volkmann wird konkreter: "Auf ein Wiedersehen am zweiten Advent in Eichenau". Bevor es ein Wiedersehen gibt, muss die 34-köpfige Gästedelegation aber erst mal abreisen.

Das freilich hat Zeit bis Sonntag. Im Rathaus werden vor dem Freitags-Besichtigungsprogramm und der großen Sause an diesem Samstag noch Urkunden unterzeichnet, zu den Klängen der Musikschul-Bläsergruppe Hymnen gesungen und Geschenke ausgetauscht: Scharfenstein erhält eigens gestaltete Fahnen, Eichenau ein beleuchtbares Glasrelief der Scharfensteiner Burg. Und für alle Gäste gibt es Schlüsselanhänger und Buttons mit den Wappen der Partnergemeinden.

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Quelle:
SZ vom 05.10.2019
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