Süddeutsche Zeitung

Denkmalschutz:Fliegerhorst-Gelände

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Flickenteppich oder Gesamtkonzept? Wie sich der Denkmalschutz auf die Zukunft des Areals auswirkt.

1. Optisches Wahrzeichen

Als Kontrapunkt zu den Wehrmachtsbauten in der Umgebung könnte auch das Heizkraftwerk aus den Siebzigerjahren unter Denkmalschutz gestellt werden. Aktuell ist es noch in Betrieb und versorgt den ganzen Fliegerhorst. Bis zum Umbau Mitte der Neunzigerjahre wurde es mit Kohle betrieben. Der dazugehörige Bunker mit einem Fassungsvermögen von 6000 Tonnen ist bis heute erhalten, wird aber nicht mehr genutzt. Mit seinem Kamin ist das Gebäude heute für alle, die regelmäßig auf der B 471 vorbei fahren, das optische Wahrzeichen des gesamten Fliegerhorsts.

2. In originalem Zustand

Ein interessantes Gebäude versteckt sich ganz im Osten des Fliegerhorsts, eingekesselt von dichtem Baumbestand: Die ehemalige Schäferei, die der Luftwaffe heute als Baustofflager dient. Das Holzgebäude von 1936 ist noch im Originalzustand erhalten und weitgehend unverändert. Die Denkmal-Studie nennt als Besonderheit auch die erhaltenen Lüftungslamellen. Interessant ist die ausgefeilte Deckenkonstruktion des etwa 33 auf 29 Meter großen Gebäudes. Die früher dort untergebrachten Schafe wurden wohl genutzt, um die Rollbahn-Grasnarbe zu "mähen".

3. Typisches Bauschema

Als wichtigen technikgeschichtlichen Bestandteil des Fliegerhorts bezeichnet die Studie die alte Wasserpumpenzentrale. Dass auch dieses Gebäude seit dem Bau des Fliegerhorsts auf dem Gelände steht, macht ein Stahlträger unter dem Dach deutlich, der als Schiene für einen Kran dient: "BAUJ. 1935" ist darauf zu lesen. Von außen spiegelt das gerade einmal 22 mal 15 Meter große Gebäude das durchgängige Bauschema des Fliegerhorsts von 1935 wieder: Rauer Kieselspritzputz, vierflüglige Kreuzstockfenster mit 1,15 auf 1,5 Metern und zweiflüglige Holz-Pendeltüren.

4. Kapelle für den neuen Stadtteil

Gleich neben dem Haupteingang hat die US-Armee 1950 die kleine Fliegerhorstkirche errichten lassen. Der Saalbau passt sich optisch an den Stil der älteren Gebäude an. Die Studie bezeichnet die Kirche als wichtigen funktionsgeschichtlichen Bestandteil der Gesamtanlage und deshalb erhaltenswert. Der historischen Widmung entsprechend, wird vorgeschlagen, dass das Gebäude später als "Stadtteilkapelle" genutzt werden könnte. Von innen ist die Kirche recht schlicht gehalten, es gibt einen einfachen Holzaltar, ein paar Wandbilder und zwei Figuren neben dem Altar.

5. Architektur der Siebziger

Bisher noch nicht unter Denkmalschutz steht die Offizierschule der Luftwaffe, das sogenannte Blaue Palais. Bereits im Februar dieses Jahres hatten einige CSU-Stadträte gefordert, das Gebäude möglichst bald in die Liste aufzunehmen, die Studie unterstreicht diesen Wunsch nun noch einmal. Das 1977 eröffnete Gebäude ist von der damals typischen Stahl- und Glasarchitektur geprägt. Zusammen mit dem Heizkraftwerk würde es im Denkmalensemble ein Gegengewicht aus der Gegenwart zu den in der Vergangenheit von den Nationalsozialisten errichteten Gebäuden bilden.

6. Zivil genutzt im militärischen Bereich

Als für die Gesamtanlage prägendes und erhaltenswertes Gebäude markiert die Studie auch die kleine ehemalige Batterieladestation in gegenüber dem denkmalgeschützten großen Hangar. Allerdings geht die Studie nicht soweit, das Ladehäuschen auf die Liste der als Baudenkmal einzustufenden Gebäude zu setzen, im Gegensatz zu allen anderen Beispielen in dieser Reihe. In dem Häuschen hat die Bundeswehr die Batterien des Alpha Jets geladen und gewartet. Das Gebäude steht zwar im militärischen Bereich, wird aber, wie einige andere auch, von einem zivilen Mieter genutzt.

7. Erhaltenswertes Ensemble

Für die Schwimm- und Sporthalle muss man nicht lange nach möglichen Weiternutzungsmöglichkeiten suchen. Gemeinsam mit dem Verbindungsbau bilden beide ein erhaltenswertes Ensemble. So entsteht eine offene Kolonnade mit zwölf Betonstützen. Auch dort findet sich an den Fassaden der kennzeichnende Rauputz mit massiven Kieseleinschlüssen. Von 2006 bis 2008 wurden die über Jahrzehnte intensiv genutzten Gebäude saniert. Dabei wurden beispielsweise auch die Mosaike in der Schwimmhalle sorgfältig wieder eingebaut, so dass der originale Zustand erhalten geblieben ist.

8.Nicht ganz einen Kilometer lang

Das größte Gebäude im Fliegerhorst ist der sogenannte Kilometerbau. Zwar ist das Unterkunftsgebäude nicht wie ursprünglich behauptet fast einen Kilometer lang, sondern "nur" 816,9 Meter, trotzdem ist es als Gesamtkomplex außergewöhnlich. Es erstreckt sich über sieben Teilabschnitte und weist eine leicht gekrümmte Achse auf. Die Knickpunkte liegen jeweils in den Übergangsbereichen zwischen den Einzelbaukörpern. Von Ost nach West werden die Teilgebäude kontinuierlich kleiner. Annähernd in der Mitte befindet sich ein gemeinsamer Wirtschaftsbereich.

9. Historische Ausstattung

Das Flugmedizinische Institut am südlichen Rand des Fliegerhorst gehört zu den qualitätvollsten Gebäuden der Bauzeit von 1936, befindet die Studie. Die Fassade ist durch eine strenge Fensterachse charakterisiert. Durch die Ausrichtung zur südlichen Gartenseite wurden die Zimmer der ehemaligen Krankenstation so mit ausreichend Licht versorgt. Im Kern wurde das Gebäude mit historischer Ausstattung nicht verändert. Nach dem Krieg wurde im Osten ein Ergänzungsflügel gebaut, der allerdings bereits beschädigt und notgesichert ist. Er könnte abgerissen werden.

10. Nagelfluh und Holzdübel

Auch die Hauptwache im Westen des Fliegerhorts gehört zu den denkmalrelevanten Beständen aus der Bauzeit von 1936. Schon durch ihre Funktion ist sie ein wichtiger Bestandteil der Gesamtanlage. Charakteristisch sind die Nagelfluhpfeiler sowie verdübelte Holzquerschnitte. Der eingeschossige Walmdachbau verfügt über eine überdachte Vorhalle und umfasst einen ehemals geschlossenen Innenhof. Schon die Hauptwache zeigt die typische Fassadenausbildung der Bauzeit mit dem Rauputz. Die Deckung des Dachstuhls wurde dagegen modernisiert.

11. Drei Joche über der Durchfahrt

Das Torhaus mit dem im Inneren gelegenen Fahnensaal sowie der angegliederten Aula spielt unter den Repräsentationsbauten eine große Rolle. Es stammt aus der Entstehungszeit von 1936 bis 1938. Durch das Torhaus führt eine dreijochige Durchfahrt, das Gebäude hat eine Grundfläche von 18 auf 18 Meter, ist zweigeschossig und wird mit einem Zeltdachbesatz abgeschlossen. Der Boden der Durchfahrt ist mit verschiedenfarbigen Granit-Kleinsteinen gepflastert. Ebenfalls erhalten haben sich drei schwere Leuchter aus Schmiedeeisen sowie mehrere Teilungsgitter.

12. Teil der Erstaufnahme

Als wichtigster Teil der einstigen Luftkriegsschule gilt der Hörsaaltrakt, ein lang gestreckter Massivbau in Nord-Süd-Richtung. Zwischen den acht fingerartig orientierten Hörsaal-Querflügeln finden sich vier Vorhallen, die jeweils den Eingangsbereich bilden. Sie werden jeweils von vier Holzbalken gestaltet, die auf eigenen Granitsockeln stehen. Der Fußboden besteht dort aus roten Sandsteinplatten. Über den Türen findet sich jeweils eine Sgraffito-Sopraporte. Aktuell ist der Hörsaaltrakt Teil der Erstaufnahmeeinrichtung und gehört, wie auch das Torhaus, nicht mehr zum militärischen Bereich.

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Quelle:
SZ vom 07.10.2017
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