Süddeutsche Zeitung

Mitten in Puchheim:Der antiallergene Christbaum

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Wer sich heute noch eine herkömmliche Weihnachtstanne zulegt, kann sich an dieser nadeligen Angelegenheit eigentlich nur die Hände stechen.

Von Christian Hufnagel

Der Christbaum ist in klimageschädigten Zeiten eine fürwahr nadelige Angelegenheit, an der sich der Liebhaber dieses buchstäblich angestammten Kulturgutes vortrefflich stechen kann. Das schlechte Gewissen dürfte mitsägen, wenn man sich das gute Stück aus dem Wald holt, oder mitgekauft werden, wenn es beim Verkäufer am Straßenrand erworben wird.

Die Zahlen sind ja auch wirklich gewaltig und unter ökologischen Gesichtspunkten wahrlich keine schöne Bescherung: "Die Anzahl der in Deutschland verkauften Bäume ist seit vielen Jahren stabil und liegt bei circa 25 Millionen Weihnachtsbäumchen im Jahr", weiß das Internetlexikon. Kaum zu glauben, dass all diese Massen die Wälder und Plantagen im treuen Jahresrhythmus hervorbringen, ohne dass ein Lieferengpass oder - natürlich noch viel schlimmer - gar der Fortbestand der Forste befürchtet werden muss. Dabei hatte es bereits Anfang des 19. Jahrhunderts - zumindest im Niederösterreichischen - Verbote gebeten, dass "Bäume zum Behuf der Fronleichnamsprozessionen, Kirchenfeste, Weihnachtsbäume und dergleichen" ausgegraben oder geschlagen werden. Dabei hat der Brauch, bekannt seit dem 18. Jahrhundert, erst viel später in den modernen Zeit so richtig Fahrt aufgenommen und konnte sich auch der Normalbürger seine Rot- oder Blaufichte, später sogar die Nordmanntanne leisten.

Auch heute ist das Monitäre nicht das Problem. Das Umweltbewusstsein schon eher. Wenn schon ein Baum, dann sollte er natürlich von regionaler Herkunft sein und ein Bio-Label tragen, rät etwa der Landesbund für Vogelschutz. Und für diese Haltung gibt es dann auch gleich einen Vorzeige-Protagonisten: "Grünen-Landtagskandidat Andreas Birzele entscheidet sich auch heuer wieder für einen regionalen Biochristbaum", teilt Kreisrat Jakob Drexler mit, der aus der Durchforstung seines "Klimawaldes" wieder 20 "pestizidfreie" Fichten und Tannen verschenkt hat, unter anderem eben an den Schreinermeister aus Althegnenberg, der den Stimmkreis Fürstenfeldbruck-Ost gerne im Landtag vertreten will. Ob die Wahl des Christbaums diese Wahl mit entscheiden wird, wird sich zeigen.

Eine gleichwohl noch ökologischere Variante hat die Stadt Puchheim gewählt. Sie hat im Rathaus erstmals einen Weihnachtsbaum aus Holz aufgestellt und unterstützt damit das Projekt "Santa Saves Trees". Für jedes verkaufte Exemplar werden mindestens vier neue Bäume in geschädigten Wäldern gepflanzt, ein Teil des Verkaufspreises fließt in soziale Projekte. Und schließlich weist die Stadtverwaltung noch auf einen gesundheitlichen Aspekt hin: Die Bäume seien aus "anti-allergenem FSC-zertifizierten Holz gefertigt". Gegen solche Vorzüge kann man sich mit einer gemeinen Fichte oder Tanne natürlich die Hände nur stechen.

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