Süddeutsche Zeitung

Asylbewerberunterkunft:Angriff auf Nebenbuhler

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Syrer für Totschlagsversuch zu sieben Jahren Haft verurteilt

Ein 44-jähriger Familienvater, der in der Asylbewerberunterkunft im Starnberger Weg einen Mitbewohner zweimal mit einem Messer attackierte, ist vor dem Landgericht München II unter anderem wegen versuchten Totschlags zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Der aus Syrien stammende Mann fühlte sich laut Staatsanwaltschaft in seiner Ehre verletzt, weil er glaubte, das Opfer, ein 50-jähriger Mitbewohner, habe ein Verhältnis mit seiner Ehefrau. Erstmals attackierte der Angeklagte den Mann am 31. Januar 2018. Dabei verletzte er ihn mit einem kleinen Messer am linken Ohr und an einer Hand. Danach hatte der Familienvater den 50-Jährigen an den Ohren auf einen Balkon gezogen, wo er versucht haben soll, ihn aus etwa vier Metern in die Tiefe zu stürzen. Das Gericht wertete dies als gefährliche Körperverletzung. Es habe kein "bedingter Tötungsvorsatz" vorgelegen, sagte der Vorsitzende der Schwurgerichtskammer, Richter Thomas Bott, bei der Urteilsbegründung. Es habe sich nicht um einen versuchten Mord, sondern um eine "Showaktion" des Angeklagten gehandelt, mit der er seinen "ungeliebten Nebenbuhler" habe verjagen wollen. Nach dem Vorfall hatte eine Sozialpädagogin ein Gespräch mit beiden Männern geführt. Dabei hatte der Familienvater zugesichert, seinem Kontrahenten nichts mehr anzutun. Ein anderer Bewohner berichtete bei seiner Vernehmung, dass er im März allerdings beobachtet habe, wie sich der Angeklagte mit einem Messer vor der Türe des Zimmers seines Kontrahenten aufgebaut habe. Passiert war jedoch nichts. Am Abend des 2. April 2018 eskalierte die Situation jedoch erneut.

Der 50-Jährige aß in Unterkunft zu Abend und hörte ein kurdisches Liebeslied, als der Angeklagte mit seinem Rad kam. Dieser geriet wegen des Liedes in Wut, lief in das Gebäude und bewaffnete sich mit einem Messer mit einer 12,5 Zentimeter langen Klinge. "Papa, tu das nicht, mach' das nicht", schrie ihm eines seiner Kinder hinterher. Doch der Familienvater lief zu seinem Nebenbuhler, der in einem Zimmer mit dem Rücken zum Flur saß und stach viermal auf ihn ein. Durch einen der Stiche wurde Brusthöhle eröffnet und die Lunge verletzt. Das Gericht ging dennoch davon aus, dass das Opfer nicht arg- und wehrlos war. Der 50-Jährige habe den Angreifer früh genug erkennen können, sodass er zu einer Abwehrreaktion in der Lage gewesen sei. Außerdem sei das Messer des Angeklagten für das Opfer "offen erkennbar" gewesen. Aus diesem Grund wertete die Kammer die Attacke nur als versuchten Totschlag. Die Plädoyers fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, da hierbei Dinge aus der Intimsphäre des 44-Jährigen zur Sprache kamen. Während der Urteilsbegründung wies Richter Bott den Familienvater mehrmals lautstark zurecht, da dieser das Urteil immer wieder fassungslos kommentierte.

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Quelle:
SZ vom 04.04.2019 / sal
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