Süddeutsche Zeitung

Arbeitserlaubnis:Ermessensspielraum

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An der Frage, ob abgelehnte Asylbewerber arbeiten dürfen, scheiden sich die Geister. Im Brucker Landratsamt richtet man sich auch danach, ob jemand bereit ist, seine Identität nachzuweisen

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Im Oktober 2015 reist der Afghane, der hier Ali K. genannt werden soll, über die Balkanroute nach Deutschland ein. Im darauffolgenden März stellt er Asylantrag. Der wird Anfang 2017 vom Bundesamt für Asyl und Migration (Bamf) abgelehnt. Ali K. reicht Klage ein. Sein Rechtsanwalt legt eine Liste vor, die K.s Integrationswillen dokumentieren soll: bestandener Sprachtest, Bescheinigung über den Schulbesuch, Mitwirkung an einer Theateraufführung. Er macht ein Praktikum in einer Apotheke, möchte dann eine Berufsausbildung als Elektroniker beginnen. Das Fürstenfeldbrucker Landratsamt lehnt ab. Es sind Fälle wie diese, die Asylhelferkreise auf die Barrikaden bringen. Im vergangenen Juli hatten Helfer und Flüchtlinge sich vor dem Landratsamt aufgebaut. Im strömenden Regen protestierten sie dagegen, dass Geflüchtete keine Arbeitserlaubnis bekommen.

Auch K.s Fall wurde geprüft. K. wurde in Iran geboren. Dort besaß er, wie er in seiner Anhörung sagte, keinerlei Ausweise. Auf seiner Flucht nach Europa waren den Akten zufolge, in die die SZ Einsicht nehmen konnte, in Griechenland Fingerabdrücke genommen worden, einen Asylantrag stellte er dort nicht. Er habe im Fernsehen gesehen, dass es in Deutschland gut ist, sagte er den deutschen Asylbehörden. Fünf Jahre ging er seinen Angaben zufolge in Iran zur Schule, arbeitete auf dem Bau, dann als Elektriker. Warum er keine Personalpapiere vorlegen könne, wurde er damals gefragt. Keine Antwort.

Die Klärung der Identität ist für die Behörden einer der wichtigsten Nachweise, wenn sie eine Arbeitserlaubnis ausstellen sollen. Nach Angaben des Referats Personenstands- und Ausländerwesen im Brucker Landratsamt ist die Identität des Afghanen nicht geklärt, seine Mitwirkung am Asylverfahren nennt man mangelhaft. Auch in Herkunftsländern gebe es entsprechende Register, sagt Referatsleiter Thomas Epp. Und auch schriftlich einen Antrag auf einen Pass in den Vertretungen der Heimatländer zu stellen, sei möglich.

In den Behörden geht man davon aus, dass viele ihre Pässe gar nicht vorlegen oder sich keine beschaffen wollen. Wer abgelehnt wird und keinen Pass hat, in welches Land sollte er dann zurückgeführt werden? In vielen Fällen machen die Behörden die immer gleichen Erfahrungen: Besteht ein konkretes Interesse, etwa eine Eheschließung oder die Geburt eines Kindes anzumelden, werden Pässe oft ganz schnell vorgelegt. Mindestens 90 Prozent der Flüchtlinge geben Epp zufolge an, keine Identitätsdokumente zu haben: verloren, verbrannt, beim Schlepper abgegeben und ähnliches. Fast alle, vermutet er, "wären in der Lage, an der Identitätsklärung mitzuwirken".

Wie also sollen die Behörden abwägen? Soll ein geduldeter Asylbewerber, dessen Identität nicht geklärt ist und der möglicherweise eines Tages doch wird ausreisen müssen, dennoch arbeiten dürfen? An der Frage scheiden sich die Geister. Zwar hat jedes Bundesland Kriterien festgelegt für die Entscheidungen, aber "die Beschäftigungserlaubnis ist unter das Ermessen der Landkreise gestellt", weiß Epp. Das Fürstenfeldbrucker Amt gilt unter Asylhelferkreisen als Behörde, die hier einen strengen Kurs fährt. Landrat Thomas Karmasin (CSU) hatte in einem SZ-Interview gesagt: Wenn die Flüchtlinge arbeiten würden, "ist das das Gegenteil von Ausreise. Sie sollen sich nicht integrieren, sondern heimfahren." Andere geben sich generöser. Im ebenfalls CSU-regierten Landkreis München versucht man das verordnete Nichtstun von Asylbewerbern zu verhindern. Doch ist Großzügigkeit die richtige Antwort der Behörden, wenn die Betroffenen etwa ihre Identität nicht nachweisen wollen? Landrat Karmasin verteidigt sein Vorgehen: "Wir prüfen jeden Einzelfall. Das ist aufwendig." Anerkannte Asylbewerber brauchen ohnehin keine externe Genehmigung, um eine Arbeit aufnehmen zu können. Von den derzeit 1630 in den dezentralen Unterkünften im Landkreis lebenden Asylbewerbern (weitere knapp 1100 leben in der Erstaufnahmeeinrichtung beim Fliegerhorst) sind etwa 830 anerkannt, also mehr als die Hälfte.

Die andere Hälfte muss beim Landratsamt anfragen, wenn sie arbeiten will. Im vorigen Jahr hatte das Landratsamt 56 Arbeitsgenehmigungen an Asylbewerber erteilt - darunter neun an Afghanen, je sechs an Asylbewerber aus Syrien, Nigeria und Sierra Leone und fünf an Eritreer - sowie elf Ausbildungsverträge genehmigt. Abgelehnt wurden 91 Arbeitsgesuche von Asylbewerbern sowie sechs Ausbildungsverhältnisse. Mehr als die Hälfte der abgelehnten Beschäftigungsanträge stellten Asylbewerber aus Nigeria, Pakistan und Sierra Leone. Im Januar und Februar 2018 stellte das Ausländeramt 23 Arbeitserlaubnisse aus, fünf wurden abgelehnt und über 15 wurde noch nicht befunden.

Abgelehnt wurde der Versuch eines Nigerianers, als Spüler eingestellt zu werden. Keine Erlaubnis erhielt ein Mann aus Äthiopien, der beim Versandhändler Amazon arbeiten wollte und dessen Asylantrag bereits abgelehnt ist. Immer wieder tauchen als Begründung in den Unterlagen auf: mangelnde Bleibeperspektive, fehlende Identitätsnachweise und fehlende Bereitschaft, solche zu beschaffen. Ein Mann aus Sierra Leone, der gegen die Ablehnung seines Asylantrags Klage eingereicht hat, bekam nun seinen Pass von der Botschaft. Damit ist seine Identität geklärt. Das Ausländeramt hat der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit als Anlagemechaniker zugestimmt.

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Quelle:
SZ vom 03.03.2018
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