Süddeutsche Zeitung

Anspruch im Bierzelt:Kabarett zum Bier

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Die Volksfeste im Landkreis haben viel Publikum verloren. Mit Kulturauftritten und Musik-Acts versuchen sie, eine neue Identität zu finden und Besucher zurückzugewinnen.

Von Heike A. Batzer, Puchheim

Die Volksfeste im Landkreis suchen nach neuen Konzepten. Viele von ihnen hatten in den vergangenen Jahren einen stattlichen Besucherrückgang zu verzeichnen und versuchen nun, sich über innovative Ideen neu zu positionieren und Gäste zurückzugewinnen. Auffällig ist, dass viele jetzt auf Kabarettisten und Musik-Acts als Programmpunkte setzen.

In Puchheim beginnt an diesem Freitag das erste der Volksfeste heuer im Landkreis. Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) hatte seine Vision bei der Vorstellung des Programms so beschrieben: "Wir wollen Qualität. Nicht die Masse wie beim Oktoberfest, auch keine Rauschveranstaltung und keine Art ,Brot und Spiele' wie in Dachau." Deshalb wird der Seniorenabend am 13. April zum Kabarettabend, wenn die Mundartgruppe "D'Raith-Schwestern und da Blaimer" im Festzelt an der Bürgermeister-Ertl-Straße auftritt. Am 17. April sollen "Marvpaul", die Indierocker aus Puchheim und Germering, das junge Publikum ansprechen und unter dem Motto "Tradivari" versteckt sich am 16. April eine Krüglrede mit Maibock-Anstich - ein bisschen Starkbierfest also auf dem Puchheimer Volksfest.

Vor ein paar Jahren hätte man in Puchheim wohl nicht gedacht, dass man dieses 50. Jubiläumsvolksfest werde feiern können. Denn in den Jahren 2009 bis 2012 war Pause. Vor zwei Jahren hat man einen neuen Anlauf unternommen. "Wir versuchen, mit einem interessanten Programm unsere Puchheimer einzubinden," sagt der Zweite Bürgermeister Rainer Zöller (CSU), der jahrelang Volksfestreferent war. Dass manche die Veranstaltung von derartigen Festen in Frage stellen, kann er nicht verstehen, denn "Volkfeste haben eine starke Integrationskraft, sie sind gelebte Völkerverständigung". Doch in den vergangenen 15 Jahren ist die Zahl der Volksfeste in Deutschland von 12 000 im Jahr 2000 auf 9900 im Jahr 2012 zurückgegangen, wie die " ift - Freizeit und Tourismusberatung" aus Köln in einer Studie für den Deutschen Schaustellerbund ermittelt hat. Die Gesamtbesucherzahl sank demnach von 170 auf 148 Millionen. Fast ein Viertel der Schaustellerunternehmen mussten in den vergangenen fünf Jahren eines oder mehrere ihrer Geschäfte aufgeben. Und dort, wo noch Volksfeste abgehalten werden, zahlen die Veranstalter häufig drauf. Auch nach den beiden bisherigen Puchheimer Neuauflagen musste die Stadt jeweils ein Defizit auffangen.

Auf ihre Volksfeste ganz verzichten wollen die Städte und Gemeinden im Landkreis allerdings nicht. Germering macht in diesem Jahr zwar Pause - weil unmittelbar nebenan Baustelle ist -, denkt aber darüber nach, wie das Volksfest in Zukunft gestaltet werden soll. Gerade in ländlichen Gegenden seien Volksfeste Bestandteil der lokalen Kultur und Identität, besagt eine Studie des Bundeswirtschaftsministeriums über Freizeitparks, Märkte und Volksfeste. Auch Fürstenfeldbruck versucht sich heuer an einem Neuanfang, hat nach jahrelangem Zaudern Frühlings- und Volksfest zusammengelegt. Tollwood-Flair will man dort hervorbringen und mit mehreren Musik-Acts das Publikum anlocken: Am 26. April spielt die Folk-Popband Django 3000, am 1. Mai La Brass Banda, die es genreübergreifend sogar zur Vorband der Toten Hosen gebracht haben. Sogar in Olching, wo man während des Volksfestes mit Boxkampf und Speedwayrennen ein Alleinstellungsmerkmal hat, setzt man auf Kultur: Nach Martina Schwarzmann und Christian Springer in den Vorjahren kommt heuer Hans Klaffl mit seinem Programm "40 Jahre Ferien - ein Lehrer packt ein" am 28. Mai ins Festzelt. Auch in Mammendorf bemüht man sich um ein spezielles Rahmenprogramm: mit dem Musikkabarett "Drei Männer nur mit Gitarre" der Keller Steff Band am 11. Mai oder einem sehr speziellen Dreikampf der beiden örtlichen Weißbierfanclubs am 13. Mai.

Die Volksfeste stehen mit vielen anderen Events in Konkurrenz um die Gunst des Publikums. Für die Schausteller können die Probleme der Volksfeste existenzbedrohend sein, doch viele von ihnen haben eine neue Einnahmequelle gefunden: Immer populärer werden, wie die Studie aus dem Wirtschaftsministerium herausgefunden hat, die Weihnachtsmärkte. Und die werden großteils auch von Schaustellerunternehmen beschickt.

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Quelle:
SZ vom 10.04.2015
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