Süddeutsche Zeitung

Ehrenamt:Der Gesellschaft etwas zurückgeben

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Die 64-jährige Pädagogin Marita Hanold engagiert sich seit einigen Jahren und hat in Freising das Projekt "Balu und Du" mit aufgebaut.

Interview Von Gudrun Regelein, Freising

"Engagement macht stark - mach mit": Unter diesem Motto startete die bundesweite Aktionswoche Ehrenamt am vergangenen Samstag und auch der Treffpunkt Ehrenamt der Stadt Freising beteiligt sich wieder mit einer Veranstaltungsreihe daran. Noch bis Sonntag, 23. September, stellen sich verschiedene Organisationen, Verbände und Vereine vor und bieten einen Einblick in die vielen Möglichkeiten, sich einzubringen. "Das Ehrenamt gibt einem ganz viel zurück", sagt Marita Hanold, die sich seit einigen Jahren freiwillig engagiert - unter anderem hat die 64-jährige Pädagogin das Projekt "Balu und Du" in Freising mit aufgebaut.

SZ: Frau Hanold, wie viele Stunden im Jahr engagieren Sie sich freiwillig?

Marita Hanold: Ich denke, alles zusammen sind das schon so zwischen 400 und 450 Stunden im Jahr.

Und weshalb nutzen Sie diese Zeit nicht für Spaziergänge, Caféhaus-Besuche oder andere schöne Dinge? Gründe dafür gibt es viele. Ich persönlich hatte es sehr gut in meinem Leben und möchte der Gesellschaft jetzt gerne etwas zurückgeben. Früher, als ich noch voll berufstätig war, hatte ich dafür einfach keine Zeit.

Sie haben in Freising das Projekt "Balu und Du" mit ins Leben gerufen. Erzählen Sie doch mal. Die Idee ist, dass die Balus, junge Menschen zwischen 17 und 30 Jahren, Grundschulkindern, den Moglis, Zeit schenken - als eine Art große Freundin oder Freund. Im Dezember 2016 sind wir mit fünf Balus gestartet, inzwischen sind es 16 Balus geworden. Die Moglis werden von der Grundschule St. Lantpert in Lerchenfeld vermittelt. Das Ganze läuft dann ein Jahr lang, Balus und Moglis treffen sich wöchentlich für mindestens eine Stunde - meist sind es mehrere Stunden - und unternehmen etwas gemeinsam. Das kann der Besuch der Stadtbücherei, ein Ausflug zur Isar oder ein Besuch am Flughafen sein. Ich treffe mich alle 14 Tage mit den Balus, dann wird besprochen, wie es lief. Ich coache die jungen Leute sozusagen.

Jugendlichen und jungen Menschen wird ja immer wieder der Vorwurf gemacht, sie seien zu egoistisch und selbstbezogen, würden sich nicht für andere engagieren. Wie sehen Sie das? Ganz anders: Junge engagierte Menschen gibt es genau wie früher. An sie ranzukommen und ins Gespräch zu kommen ist manchmal vielleicht etwas schwierig. Ich denke allerdings, dass die gesamte Gesellschaft egoistischer geworden ist, ich sehe das als ein gesamtgesellschaftliches Problem, nicht als Merkmal junger Menschen.

Weshalb engagiert man sich freiwillig? Die Gründe dafür sind total unterschiedlich. Manche wollen gerne helfen, etwas Gutes tun. Manche wollen mit anderen Menschen zusammenkommen und Erfahrungen sammeln, die sie in ihrem Beruf nicht machen konnten. Wenn Sie schauen, wer sich engagiert, dann werden Sie sehen, dass das oft Menschen sind, die sich schon in ihrer Jugend sozial engagiert haben - oder selbst davon profitiert haben.

Das Klischee von der wohlhabenden Gattin, die sich sozial engagiert, trifft nicht mehr zu? Absolut nicht. Es sind Menschen im Alter von 14 bis 84 Jahren, mit ganz verschiedenen Ausbildungen und Berufen und unterschiedlichster Motivation. Bei den Balus gibt es Studentinnen ebenso wie einen Berufsfeuerwehrmann oder eine Einzelhandelskauffrau, die sich am Sonntag mit ihrem Mogli trifft.

Geben und nehmen: Was bekommen die Ehrenamtlichen zurück? Sehr viel. Wenn ich auf die Balus schaue, dann lernen sie in diesem einen Jahr einiges. Die Bedeutung von Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit, die Erfahrung, wie wichtig Struktur ist. Und sie erleben, wie toll es ist, die Welt mit Kinderaugen zu sehen und Dinge ganz neu zu erleben. Eine Balu hat durch ihr Engagement sogar ein Stipendium bekommen. Wird das Ehrenamt aber manchmal nicht auch überfordert? Gerade auch im Bereich Asyl? Bei diesem Thema war doch anfänglich der ganze Staat überfordert. Die notwendigen Strukturen waren nicht da, die Ehrenamtlichen waren wie eine Feuerwehr. Es kann natürlich nicht sein, dass Ehrenamtliche staatliche Aufgaben übernehmen. Natürlich müssen Organisationen die Verantwortung übernehmen und die Freiwilligen mitarbeiten. Also ich persönlich fühle mich von der Stadt Freising in keiner Weise missbraucht (lacht).

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Quelle:
SZ vom 17.09.2018
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