Süddeutsche Zeitung

Sagen und Mythen:Der Spuk vom Kaltenberg

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Jahrhundertelang erzählte man sich, dass auf einem Hügel bei Pallhausen eine Weiße Frau ihr Unwesen trieb, später war sogar vom Teufel die Rede. 1949 war alles vergessen, damals eröffnete dort die Glöckerlalm, ein beliebtes Ausflugslokal.

Von Alexandra Vettori, Freising

Doch, ein wenig sonderbar ist dem Spaziergänger schon zumute, während er den Waldweg den Hügel hinauf erklimmt. Direkt an der Staatsstraße erhebt sich der Kaltenberg, wie die Erhebung genannt wird, gleich an der Abzweigung zur Ortschaft Haxthausen, vor der noch der Weiler Pallhausen kommt. Es ist, als spürte man die Geschichten der Menschen, die sich in früheren Zeiten hier aufgehalten haben. Im Mittelalter soll hier eine Burg gestanden haben, und später, man kann es sich heute kaum vorstellen, war da oben ein beliebtes Ausflugslokal. Bis zu 1000 Leute sollen dort an den Sonntagen gefeiert haben, ein wildes Treiben sei das gewesen, erzählen einige, die dabei gewesen sind.

Mittlerweile herrscht Ruhe zwischen den alten Eichen und Buchen, die im Winter, ihres Laubes beraubt, einen weiten Blick in das Freisinger Moos erlauben. Wie viel beeindruckender muss das in früheren Jahrhunderten gewesen sein, als das Moos auch noch ein richtiges Moor war, mit Nebelschwaden über dem gefährlich schwammigen Boden. Ist der Kaltenberg erklommen, findet der Wanderer auch bald die Glöckerlalm, zumindest die Reste, die davon übrig geblieben sind.

"Die Pallhausener haben einen Umweg um den Kaltenberg gemacht"

Ein ebenerdiges Gebäude, einer komfortablen Hütte ähnlich, ein alter Ofen, den wohl zwischenzeitlich Obdachlose wieder in Gang gesetzt haben. Von ihrer Existenz zeugen noch zerfetzte Matratzen und Müll, auch diese Nutzung mag schon Jahre zurückliegen, seither ist offenbar niemand mehr hergekommen.

"Es soll hier eine Burg oder ein Schloss gestanden haben", erzählt Ernst Keller, Heimatforscher aus dem Nachbarort Fürholzen. Er hat sich mit der Geschichte der Glöckerlalm beschäftigt. Eine Abschnittsbefestigung gibt es, auch Wälle und Gräben, Keller kann sich gut vorstellen, dass an der exponierten Hügelkante, mit weitem Blick übers Land, tatsächlich einmal eine Burg gestanden hat. "Das Gelände hier ist völlig unnatürlich, aber noch nie archäologisch untersucht worden", sagt er.

Im Jahr 1839 hat das oberbayerische Archiv, in dem ein Bestandsverzeichnis des Landgerichts Freising enthalten ist, von "Schanzen und Gräben der ehemaligen Burg" geschrieben. Im 19. Jahrhundert berichtet auch der bekannte Pfarrer und Freisinger Heimatforscher Johann Baptist Prechtl davon, dass der Volksmund von einem Schloss auf dem Kaltenberg bei Pallhausen erzähle. Zwei Mal soll es zerstört worden sein, mittlerweile sei noch der Schlossbrunnen zu sehen, im Boden seien die Grundmauern kenntlich. Grabe man im Erdreich, komme man auf das Mauergestein.

Jedenfalls gruselte es die früheren Bewohner der Gegend vor dem Kaltenberg. "Die Pallhausener haben sich nachts lieber nicht getraut, dahinzugehen. Lieber haben sie einen Umweg gemacht", weiß Ernst Keller. "Es hieß, da ist ein weißes Licht, und der Teufel wohnt da oben." Der Freisinger Pfarrer Prechtl berichtet 1887, seine Großmutter habe ihm erzählt, dass man, wenn man nachts am Kaltenberg vorbeikomme, eine Weiße Frau sehe, nämlich die Schlossgräfin, die dort auf und ab wandere. Pfarrer Prechtl datiert die Entstehung der Sage auf dem Kaltenberg auf das 15. Jahrhundert, im 17. Jahrhundert soll sie dann ihren Höhepunkt erreicht haben. Im Laufe der Zeit wurde aus der Weißen Frau dann schließlich der Teufel, der am Berg sein Unwesen getrieben und sogar Grenzsteine der ungeliebten Bauern versetzt haben soll.

Irgendwann gerieten die Spukgeschichten in Vergessenheit und die Glöckerlalm wurde gebaut. Im Jahr 1949 ist das Ausflugslokal eröffnet worden und es wurde in den Fünfziger und Sechzigerjahren zum Dorado der Jugend rund um Freising. Da gehörte das Dörfchen Pallhausen noch zu Sünzhausen, erst in den Siebzigern wurde es der Stadt Freising zugeschlagen und eingemeindet. Die Isar-Post vermeldet 1949 die Eröffnung der Gastwirtschaft, ein großes Gartenfest mit Tanz wurde dazu veranstaltet. Den Namen Glöckerlalm bekam die Lokalität übrigens, weil oben auf dem Kaltenberg im Frühjahr so viele Maiglöckchen blühten.

Rauschende Feste feierte die Jugend in der Glöckerlalm

Geöffnet hatte die Glöckerlalm allerdings nur sonntags, mit Tanz und der Massenhausener Blasmusik, die hier oft aufgespielt hat. "Es wurden auch Buden aufgestellt, eine der Schießbuden hat ein in der Gegend bekannter Wilderer betrieben, der ein Freund des noch bekannteren Wilderers Hüter-Vale war, der sich später auf der Flucht vor der Polizei erschossen hat", weiß Keller.

Rauschende Feste hat die Jugend in der Glöckerlalm gefeiert. Bis zu tausend Besucher pilgerten an den Sonntagnachmittagen zu den Waldfesten, für die Tische, Bänke und Tanzboden zwischen den Bäumen aufgestellt wurden. Wie Zeitzeugen erzählen, wurde dem Bier, geliefert vom Hacklbräu Freising, recht eifrig zugesprochen. Viele Raufereien soll es auch gegeben haben, berichten die Zeitzeugen weiter, aber natürlich, hinter schattigem Grün, auch so manche romantische Episode.

Im Jahr 1951, berichten Lokalblätter, hat es sogar eine Kinovorführung gegeben, Open-Air-Kino würde man heutzutage dazu sagen. Warum in den späten Fünfzigerjahren die Glöckerlalm geschlossen und dem Verfall preisgegeben wurde, ist unbekannt. "Kein Mensch versteht das, das war sicher eine Goldgrube", sagt Keller.

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Quelle:
SZ vom 16.01.2017
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