Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Abgedreht - Filmkulissen rund um München:Drachenschiffe im dichten Nebel

Lesezeit: 3 min

Eine winzige Szene des alten Abenteuerklassikers "Die Wikinger" ist vor 65 Jahren auf der Isar bei Freising entstanden. Die Hauptdarsteller, die Weltstars Kirk Douglas und Tony Curtis, haben die Domstadt aber nie betreten.

Von Peter Becker, Freising

Dichte Nebelschwaden umhüllen die Drachenschiffe, die in dem alten Abenteuerklassiker "Die Wikinger" auf die Küste von Northumbria zusteuern. Die verfeindeten Halbbrüder Einar und Erik haben sich aufgemacht, die walisische Prinzessin Morgana aus der Hand eines schurkischen Thronräubers zu befreien. Der Film mit Kirk Douglas, Tony Curtis, Ernest Borgnine und Janet Leigh in den Hauptrollen war Ende der Fünfzigerjahre ein Kassenschlager. Gedreht wurde er überwiegend am Walchensee, in der Bretagne, am Hardanger Fjord in Norwegen und am Lim Fjord in Kroatien. Bis auf eine winzige Szene, die auf der Isar bei Freising entstand. Wo genau, das weiß heute scheinbar niemand mehr. Fest steht nur, dass die Passage von der alten Isarbrücke aus aufgenommen wurde.

Wolfgang Schnetz und Richard Brückl, Stadtführer in Freising, haben die Geschichte von den Drachenschiffen auf der Isar bei einer Führung im Jahr 2019 zu Drehorten in der Stadt erzählt. Gehört hatte Schnetz zum ersten Mal davon bei der Geburtstagsfeier eines Mannes, der heute nicht mehr lebt, der aber 1957, als die Dreharbeiten in Freising liefen, bei den Bavaria-Filmstudios gearbeitet hatte. "Der Mann war froh, einmal mit dem Radl zur Arbeit fahren zu können", erzählt Schnetz.

Es gibt keine Fotos und auch kein Script zu den Filmaufnahmen auf der Brücke

Der Stadtführer begann daraufhin nachzuforschen. Mit ernüchterndem Ergebnis. "Es gibt kein Foto, keinen Eintrag", sagt er. Weder waren in der Tageszeitung Fotos zu sehen, noch war bei den Bavaria-Filmstudios ein Script aufzutreiben. Schnetz führt das darauf zurück, dass dort in den Fünfziger und Sechzigerjahren noch nicht so gründlich archiviert worden war, wie das heute der Fall ist. Das Script hatte einfach eine Flussenge gefordert und die gab es eben in Freising an der Isar.

Um die Filmarbeiten wurde kein großes Aufhebens gemacht: Die Isarbrücke musste nicht gesperrt werden, die Polizei musste keinen Verkehr regeln. Offenbar fiel das Set keinem der Menschen, die von Lerchenfeld Richtung Innenstadt oder in der anderen Richtung unterwegs waren, auf. Schnetz führt das darauf zurück, dass die Aufnahmen sehr früh in der Morgendämmerung stattfanden. Trotzdem scheint es gar nicht so selten gewesen zu sein, dass Kamerateams in der Stadt auftauchten, um kurze Szenen zu drehen. "Freising hat gepunktet, weil die Filmstudios Geld sparen konnten", sagt Schnetz. Die Anreise war nicht so aufwändig wie zu anderen Orten.

Die Nebenschwaden wurden künstlich mit einer Maschine erzeugt

Drei Filmszenen von "Die Wikinger" gibt es, die an der Isar entstanden sein könnten. Eine Ruderszene nach zehn Minuten mit Lord Egbert, der aus dem Kerker des Thronräubers entkommt und zu den Wikingern flieht. Die zweite nach gut einer Stunde, als Erik mit Morgana vor den Wikingern flüchtet und in eine Nebelbank eintaucht. Und die dritte, in der Erik zusammen mit seinem Halbruder Einar gen England segelt. Schnetz tendiert dazu, dass diese letzte Aufnahme auf der Isarbrücke entstanden ist.

Der Drehort ist unspektakulär. 1957 standen die Brückenheiligen noch nicht in ihren Nischen. Die wenigen Autos rollten über die Korbiniansbrücke Richtung des Gleisübergangs Bahnposten 15, an dem noch ein Polizist den Verkehr regelte. Schnetz sagt, dass die Drachenboote, natürlich nicht in Originalgröße, zunächst die Isar hinauf schwammen, bis in Höhe der Savoyer Au. Eine Maschine erzeugte die in der Düsternis undurchdringlichen Nebelschwaden, weshalb die genaue Stelle, an der sie kehrt machten und mit der Strömung zurück trieben, nicht zu identifizieren ist. "Sie könnte überall sein", sagt Schnetz. Im Film ist nicht die geringste Spur davon zu entdecken, dass die Aufnahmen nicht auf einem größeren Gewässer sondern auf der Isar entstanden.

Heute könnten die Boote auf der Isar besser schwimmen

Die Hauptdarsteller haben Freisinger Boden nie betreten, denn die meisten Szenen spielten sich in Grünwald ab. Weltstars reisten zumindest damals nicht nach Freising. Das Kamerateam arbeitete bei der Aufnahme der Drachenboote mit dem Mittel der erzwungenen Perspektive. Diese Technik verzerrt Dimensionen, die optische Täuschungen erzeugt, je nachdem, ob Dinge größer oder kleiner erscheinen sollen. Die Drachenboote auf der Isar waren unbemannt. Erst im Studio wurden sie so geschnitten, dass es schien, als befänden sich Personen darauf.

An der Isar hat sich im Vergleich zu 1957 wenig verändert. Die Verbauungen an dem Fluss gebe es seit 1923, sagt Umweltexperte Christian Magerl. Was sich verändert habe, sei der Baumbewuchs entlang der Isar. "Der Wald war damals lichter." Außerdem fließe heute mehr Wasser als 1957 in der Isar, ergänzt Magerl, die Drachenboote würden also besser schwimmen als vor 65 Jahren. Steten Veränderungen unterworfen waren seither die Kiesbänke, auf denen heute die Jugendlichen feiern. Von Drachenbooten, die da einst vorbeifuhren, haben sie gewiss keine Ahnung.

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