Süddeutsche Zeitung

SZ-Balkonien:Jetzt wird gezwitschert

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Auf dem Redaktionsbalkon gibt es zwar keine Erdbeeren, aber eine Sonneblume. Und die gefällt dem Stieglitz

Kolumne von Birgit Goormann-Prugger

Ein Sonntag in der Redaktion. Die Kulturchefin schiebt Dienst. Weil es so ein schöner Sommertag ist, steht die Tür zu SZ-Balkonien weit offen. Außerdem werden die Tomaten langsam reif. Da kann man immer mal naschen. Schade eigentlich, dass es keine Erdbeeren gibt. Aber das ist eine andere Geschichte. Diese hier geht so weiter. Plötzlich hört es die Kulturchefin zwitschern. Von Berufswegen in Tönen ein wenig geübt, denkt sie sich, so hat es hier noch nie gezwitschert. Nur gegurrt, denn üblicherweise sitzen auf dem SZ-Balkon nur Tauben. Die Kulturchefin also geht der Sache nach und entdeckt auf der langsam verblühenden Sonnenblume einen bunten Vogel, den sie noch nie gesehen hat.

Das Federvieh zupft genüsslich an der Sonnenblume herum, es scheint ihm zu schmecken. Weil die Kulturchefin keine ausgewiesene Vogelkundlerin ist, aber googeln kann, entdeckt sie auf der Seite des Landesbundes für Vogelschutz, dass es sich in diesem Fall um einen Stieglitz handelt. Eine ebenso gegoogelte Zwitscherhörprobe bestätigt ihren Verdacht.

Stieglitze, so ist dort zu lesen, leben sowohl auf dem Land als auch verstärkt in Siedlungen. Ihr Bestand habe in den vergangenen Jahren aber dramatisch abgenommen. Auch weil "Wildwuchs" an Wegrändern, in öffentlichen Grünanlagen, privaten Gärten oder an Sportplätzen oftmals akribisch entfernt wird. Der Stieglitz brauche einen geeigneten Brutplatz und genug Nahrung wie samenreiche Kräuter, Stauden. SZ-Balkonien scheint also zu funktionieren. Zumindest für diesen einen Stieglitz. Weil die Redaktion aber an diesem Sonntag in den Sommerferien eher spärlich besetzt ist, kann sich die Kulturchefin gerade niemandem mitteilen. Ein Stieglitz! Bei uns auf dem Balkon! Zum ersten Mal!

Der Versuch, diese Sensation via Handyfoto für die Kollegen festzuhalten, scheitert jedoch daran, dass der Stieglitz ein scheues Tier ist und sich nicht fotografieren lassen will. Er fliegt davon, einfach so und kommt auch den ganzen Sonntag nicht wieder. Am Montag auch nicht. Dabei gäbe es auf SZ-Balkonien noch reichlich Sonnenblumensamen. Darum folgt auf diesem Wege jetzt eine Bitte an den Stieglitz, ob er vielleicht noch mal bei SZ-Balkonien vorbeiflattern könnte. Am kommenden Dienstag vielleicht um 13 Uhr zur Wochenkonferenz. Da wären dann alle da und die Kulturchefin könnte beweisen, dass sie bei ihrem Sonntagsdienst hellwach war und nicht etwa nur geträumt hat, dass da ein Vögelchen zwitschert ...

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Quelle:
SZ vom 14.08.2019
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